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Nachtsafari (German Edition)

Nachtsafari (German Edition)

Titel: Nachtsafari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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so makellos, wie sie es von ihr gewohnt war. Sie roch kalten Rauch und säuerlichen Wein, als würde sie tatsächlich vor ihr stehen. Und sie hörte ihre immer mutloser klingende Stimme.
    Über Schmerzen klagte sie, in der rechten Schulter, weil die Waren der Kunden am Scanner vorbeigezogen werden mussten, in den Knien, weil ihre Wohnung im dritten Stock lag und kein Lift vorhanden war, über ihr jetziges Dasein allgemein und über die Rücksichtslosigkeit ihres Mannes, der einfach so Selbstmord verübt hatte. Silke schnitt es ins Herz. Sie liebte ihre Mutter.
    Doch dann kam der Tag, an dem sie die ehemals so elegante, kultivierte Frau lallend auf dem Sofa liegend vorfand. Auf dem Teppich eine leere Flasche Korn vom Discounter, stellte sie fest. Eine abstoßende Wolke von kaltem Rauch und Alkohol verpes tete die Luft, ihr Pullover war mit Erbrochenem besudelt. Das Be ängstigende aber war gewesen, dass ihre Mutter eine brennende Zigarette in der Hand gehalten und die glühende Asche bereits einen Schwelbrand im Polster verursacht hatte.
    Sie setzte sich auf und vergrub das Gesicht in den Händen, um die Erinnerung an die letzten Monate im Leben ihrer Mutter auszulöschen. Als ihr das nicht gelang, stand sie auf, schob die Gardine zurück und starrte in den nächtlichen Busch. Der Mond war eine leuchtende Orange, die im samtblauen Himmel hing. Das Licht floss über die Hügel, modellierte die Kuppen in tiefem Grün, verwandelte Bäume und Büsche in geheimnisvolle Schatten. Einer bewegte sich. Sie kniff die Augen zusammen. War es ein Nashorn? Ein Elefant? Oder doch nur ein sanfter Windstoß, der die Buschzweige bewegt hatte? Ein spitzer Schrei schwebte für eine Sekunde über den Hügeln.
    Sie schlang sich schützend die Arme um den Leib. Nachtjäger, hatte Rick gesagt. Irgendwo lachte jemand. Ein unangenehmes Lachen. Eine kurze Kadenz von abgehackten Tönen, die hochstieg und gleich darauf abfiel.
    Ein Mensch? Sie lauschte. Jetzt hörte sie es wieder, aber dieses Mal lachten mehrere, alle in der gleichen Tonfolge, und sie erkannte das wieder. In Dokumentarfilmen über Afrika hatte sie es gehört. Hyänen.
    Ein Schatten huschte durch ihr Blickfeld, ein klagender Vogelruf erklang, unter ihr stapfte etwas schnaufend durchs Gestrüpp. Wieder meinte sie, einen Aufschrei zu vernehmen, lauter, näher als vorher, und sie zuckte zusammen. Eine zarte Wolke driftete am Mond vorbei, Blätter flirrten silbern. Sie zog sich vom Fenster zurück, schloss den Vorhang sorgfältig und schlüpfte wieder unter das Laken.
    In diesem Augenblick fühlte sie sich sehr einsam.

11
    M arcus wurde von einem glühenden Sonnenstrahl geweckt, der ihm genau ins Gesicht brannte. Mit einem Grunzlaut zwang er sich, seine Lider zu heben, und wurde gleichzeitig gewahr, dass ihn jemand energisch an der Schulter rüttelte.
    »Was soll das?«, schimpfte er und fuhr hoch, bereute es jedoch sofort, als er in Silkes Gesicht sah. »Was ist? Ist es schon morgens?« Stöhnend ließ er sich wieder in die Kissen fallen. Der Raum drehte sich um ihn, sein Kopf drohte zu platzen.
    »Schon seit Stunden. Los, aufstehen«, gab Silke knapp zurück und riss ihm das Bettlaken weg.
    »Was ist denn mit dir los? Du bist ja grauenvoll drauf.«
    »Was los ist? Was wohl!«, fuhr sie ihn an. »Dreimal darfst du raten.«
    Aber seine Lider wurden sofort wieder schwer, die Augen fielen ihm zu.
    »Weißt du was?« Silkes wütende Stimme schnitt ihm mitten durch den Kopf. »Ich würde dir am liebsten in den Hintern treten!«
    Er kniff seine Augen fest zu und überlegte, ob er einfach so tun sollte, als wäre er wieder eingeschlafen. Vielleicht würde sie sich ja bald wieder beruhigen. Doch die Hoffnung, damit durchzukommen, erwies sich als vergebens. Silke war in Rage und nicht aufzuhalten.
    »Ich bin so was von stinksauer auf dich«, zischte sie. »Du warst gestern total besoffen und hast dich restlos danebenbenommen. Und mich blamiert. Außerdem bist du mitten in der Nacht bei mir aufgetaucht, durchs Zimmer getappt, hast dich wortlos aufs Bett geworfen und bist sofort in eine Art Alkoholnarkose gefallen, aus der ich dich einfach nicht aufwecken konnte. He, hörst du mir eigentlich zu?«
    Mühsam öffnete er die Augen. »Aber natürlich, Schatz«, flüsterte er mit matter Stimme, konnte sich nicht erklären, warum sie die Tatsache, dass sie im selben Bett geschlafen hatten, bemerkenswert fand. Das taten sie doch immer. Und mit großem Vergnügen.
    »Du hast geschnarcht wie ein

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