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Nachtsafari (German Edition)

Nachtsafari (German Edition)

Titel: Nachtsafari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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sich daran zu erinnern, ob er den Manager oder seine Frau um die Nummer seines Mobiltelefons gebeten hatte, kam aber zu keinem Ergebnis. Eine Hand an die Stirn gepresst, suchte er seine Hose, in der vermutlich sein Mobiltelefon steckte.
    Er fand die Hose und auch das Telefon und rief seine Kontakte auf. Und fluchte leise. Die Nummer war nicht im Gerät gespeichert. Ihm fiel ein, dass ihn diese Heather angerufen hatte. Er fand ihre Nummer unter den eingehenden Anrufen und wählte sie mit einem erleichterten Seufzer, bekam jedoch keine Antwort.
    Doch auf einmal flatterte ihm ein Erinnerungsfetzen durch den Kopf. Irgendetwas war vorgefallen, aber was? Hartnäckig wie ein biestiges Insekt und genauso schwer fassbar schwirrte ihm der Gedanke im Hirn herum. Ums Verrecken fiel ihm nicht ein, was es war. Rob. Mine. Heather. Irgendetwas war da gewesen.
    Dann aber traf es ihn. Unfall. Rob. Nicht ansprechbar. Eine Welle von Übelkeit überschwemmte ihn, und er sank auf die Bettkante.
    Hinter ihm flog die Badezimmertür auf, ein Schwall Feuchtigkeit breitete sich aus. Silke erschien mit einem um den Körper gewickelten Handtuch und tropfenden Haaren im Schlafzimmer. Ihr Ausdruck war nach wie vor unwirsch.
    »Jetzt beeil dich, sonst ist der Tag vorbei. Wenn wir schon mal hier sind, will ich auch was davon haben. Ich will die Big Five sehen.«
    Abermals veranlasste ihn ihr Ton dazu, ihrer Aufforderung ohne weiteren Verzug nachzukommen, und eine halbe Stunde später stieg er die Treppe hoch ins Wohnzimmer. Silke kam mit einem Stück Brot und einem dampfenden Kaffeebecher von der Veranda herein. Der Kaffeeduft regte seine Lebensgeister wieder etwas an. Außerdem sah sie in den knappen Jeansshorts und einer weißen Bluse, die sie in der Taille geknotet hatte, zum Anbeißen aus.
    »Hallo, Schatz. Du siehst klasse aus.«
    Aber sie ignorierte das Kompliment. »Na endlich!«, sagte sie in kühlem Ton. »Es ist ein Traumtag. Strahlende Sonne, keine Wolke in Sicht. Lass uns schnell frühstücken und dann in den Busch fahren. In der Küche steht alles. Da kannst du dir dein Frühstück selbst machen.« Damit marschierte sie zurück auf die Veranda und schloss die Schiebetür mit einem Knall, dass die Scheiben klirrten.
    Marcus traf das Geräusch wie ein Hammerschlag. Schmerzhaft verzog er das Gesicht. So was konnte sein Kopf noch nicht vertragen. Trübsinnig ging er in die Küche. Also war sie immer noch sauer, denn sonst bereitete sie immer das Frühstück, deckte den Tisch hübsch, meistens sogar mit Blumen. Schweigend bestrich er zwei Scheiben von dem gummiartigen Weißbrot, das man hier im Supermarkt bekam, mit Butter und Marmelade, kippte Fertigmüsli in eine kleine Schale und goss Milch darüber. Er sah zu ihr hinaus. Sollte er zu ihr gehen? Oder war es klüger, sich aus der Schusslinie zu halten?
    Er hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als sich plötzlich etwas Riesiges, Graubraunes aus dem Nichts auf Silke stürzte und sie mit solcher Wucht am Kopf traf, dass sie fast vom Stuhl gestoßen wurde. Sie schrie auf, Kaffeebecher und Brot flogen ihr aus der Hand, und sie griff sich mit beiden Händen ans Gesicht. Vor Schreck unfähig, sich zu rühren, starrte er hinaus, und diesen Anblick würde er nie vergessen.
    Mit ausgebreiteten Flügeln stand ein riesiger Adler schräg über Silke in der Luft, seine gelben Augen auf sie fixiert. Ohne einen Warnlaut schoss er herunter, zielte mit dem Schnabel wie mit einer Speerspitze auf ihren Kopf. Unmittelbar vor ihr breitete er seine Schwingen weit aus, bremste so seinen Sturzflug ab, richtete sich auf und streckte seine furchterregenden Krallen vor. Und traf Silke noch einmal.
    Marcus machte einen Satz zur Schiebetür und riss sie auf, aber er kam zu spät. Der Adler wirbelte herum und griff erneut an. Doch Silke musste ihn gesehen haben. Mit einer blitzschnellen Drehung hechtete sie sich unter den Balkontisch. Der Angriff des großen Raubvogels ging ins Leere. Elegant glitt er davon und war kurz darauf nur noch ein schwarzer Punkt im tiefblauen Himmel.
    Marcus warf sich vor dem Tisch auf den Boden und zog sie vorsichtig darunter hervor. Langsam hob sie das Gesicht, und er erschrak bis ins Mark. Einen Zentimeter unterhalb ihres Augenlids war die Haut aufgeschlitzt. Die Wunde blutete stark, genau wie ihre Hand, die der Adler beim zweiten Angriff getroffen hatte. Er holte sein Taschentuch hervor und wischte das Blut von ihrer Wange. Einen einzigen Zentimeter weiter, und das Auge wäre

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