Nachtsafari (German Edition)
ebenfalls ver stärken und den elektrischen Zaun erhöhen. Ihr eigenes Hoch sicherheitsgefängnis, nannte sie es.
»Sie sind hervorragende Wachhunde«, sagte sie und sehnte sich für einen Augenblick zurück in ihre Kindheit, in der es keine elektrischen Zäune, fingerdicken Gitter und Videoüberwachung gegeben hatte, in der sie allein das riesige Gebiet von Inqaba durchstreifte, Rohrratten mit einer Steinschleuder jagte und manche Nacht in der Hütte ihrer Kindheitsfreunde, den Zuluzwillingen Popi und Thandile Kunene, verbrachte. Damals war Inqaba Agrarland gewesen. Ananas, Mango und Avocado hatte ihr Vater angebaut, Pferde und Kühe gehalten. Wildtiere hatte es kaum gegeben. Außer Affen und Schlangen natürlich und ein paar Antilopen.
Damals hatte sie ihr Leben als paradiesisch empfunden. Erst als der Apartheidstaat zusammenbrach, war ihr klar geworden, dass sie einer Fata Morgana aufgesessen war.
»Können wir von etwas anderem reden?«, bat sie. »Meine Albträume sind schon überbevölkert.«
Dirk räusperte sich. »Ich muss auch los, ob ich will oder nicht. Der Flieger wartet nicht.«
Sie spürte plötzlich ein Ziehen in der Herzgegend. Anita und Dirk waren neben Angelica und Alastair ihre engsten Freunde, und schon immer ging ihr der Abschied von Menschen, die sie liebte, an die Nieren. Ganz tief in ihrem Inneren saß die Furcht, dass es ein Abschied für immer sein könnte. »Ich … ich werde euch vermissen … sehr, aber ihr kommt doch zurück?« Ihre Stimme stieg mit plötzlicher Beunruhigung. »Ihr schleicht euch doch nicht einfach davon, oder?«
»Keine Chance, schon allein wegen des Essens auf Inqaba kommen wir wieder.« Dirk lachte. »Aber ehrlich gesagt, ich verhandle gerade wegen einer Reportage in Brasilien. Nur eine kurze Sache. Kann also sein, dass sich unsere Rückkehr ein bisschen hinzieht. Aber zurückkommen werden wir. Das ist ein Versprechen.« Dirk drückte sie plötzlich an sich. »Pass auf dich auf, hörst du? In jeder Beziehung.«
Jill nickte, musste schlucken und flüchtete sich in Nils’ Arme. Nach einem Blick auf ihr bekümmertes Gesicht zog er sie fest an sich. »Wenn er sich verdrücken will, werde ich diesen friesischen Piraten an den Haaren wieder herbeiziehen. Versprochen«, sagte er und küsste sie.
Dirk blickte gespielt säuerlich drein. »Manchmal seid ihr wirklich penetrant, geradezu peinlich. Wie lange seid ihr verheiratet? Elf Jahre? Zwölf?«
Nils grinste, den Arm um die Taille seiner Frau gelegt. »Fast vierzehn.«
»Na also. Da hat man nicht mehr verliebt zu sein. Außerdem bist du auch viel zu alt dazu. Da oben«, er tätschelte mit einem süffisanten Lächeln seinen Oberkopf, wo das Haar noch üppig spross, »wird es schon licht.«
Nils strich reflexartig über sein kurzes Haar. »Da wird nichts licht«, rief er erbost. »Du bist nur neidisch!«
»Stimmt«, gab Dirk zu. »Allerdings nicht auf deine schüttere Haarpracht, sondern auf deine ganz und gar hinreißende Familie. Wo sind Kira und Luca? Ich kann doch nicht gehen, ohne mich von ihnen zu verabschieden. Und von Nelly auch. Sie redet sonst nie wieder mit mir. Das könnte ich nicht ertragen.«
»Nelly macht Ferien und erholt sich in ihrem Dorf, obwohl sie, wie ich sie kenne, ihre Familie zum Wahnsinn treibt, weil sie sich in alles einmischt und sich einen feuchten Kehricht darum kümmert, dass längst ein anderer Chef des Stammes ist. Luca ist mit Sicherheit in der Küche und mutiert allmählich zu einem fetten Hippo, und Kira ist im Stall. Sie würde ihr neues Pony am liebsten mit ins Bett nehmen. Ich werde sie holen.«
Sie winkten, bis von Dirks Auto nur noch eine rötliche Staubwolke zu sehen war. Es flossen eine Menge Tränen, und Kira lief wieder zu den Ställen, um sich bei ihrem Pony auszuheulen. Luca war verschwunden, bevor Jill herausfinden konnte, was er jetzt vorhatte.
»Manchmal frage ich mich, ob es gut für die Kinder ist, so ungezügelt in der Wildnis aufzuwachsen«, sagte sie zu Nils, während sie zurück zum Haus gingen.
Der grinste. »Sieh doch, was aus dir geworden ist. Immerhin was annähernd Vernünftiges, obwohl du im Busch zwischen Affen groß geworden bist.«
»Trotzdem bin ich froh, dass sie dieses Jahr ins Internat kommen.« Sie zog ein bekümmertes Gesicht. »Auf der einen Seite, auf der anderen werde ich sie schrecklich vermissen. Das Haus wird so leer sein.«
Seine Augen funkelten. »Wollen wir da vielleicht Abhilfe schaffen?«
»Lüstling«, kicherte sie.
14
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