Nachtsafari (German Edition)
ausgetragen, heute mit Schusswaffen, und man stahl sich noch immer gegenseitig regelmäßig das Vieh. Neben Entführungen, ille galen Einwanderern, Menschen- und Drogenschmuggel waren diese Fehden bösartige Geschwüre, die Zululands Gesellschaft zerstörten.
»War das Mister Dirk?«, wiederholte Nelly laut.
Mit einem Ruck kam Jill zu sich. »Ja, das war er.« Verstohlen sah sie auf die Uhr. Unterhaltungen mit Nelly zogen sich meist ins Unendliche, weil ihre ehemalige Nanny vom Hundertsten ins Tausendste kam und den Begriff »Zeit« nicht zu kennen schien.
»Ich geh dann mal zurück ins Büro«, bemerkte Nils und verdrückte sich eiligst.
Nelly spitzte die Lippen und blickte der Staubwolke nach, die Dirk verschluckt hatte. »Wohin will er?«
Jill erzählte es ihr, woraufhin Nelly ihre Augen verdrehte. »War um will er zurück in sein kaltes Land reisen?«, wollte sie wissen. »Warum bleibt er nicht bei uns? Hier ist es warm, und wir sind hier.«
Jill erklärte ihr das Problem mit dem Visum, was blankes Unverständnis bei der Zulu auslöste.
»Du musst mit dem Minister sprechen«, rief Nelly empört. »Ich habe im Fernsehen gesehen, dass er nächsten Monat hierherkommt. Sag ihm, wir brauchen Mister Dirk und seine Frau. Sie ist eine gute Frau, sie hilft uns.« Mit einem Trompetenstoß schnäuzte sie in ihr Taschentuch. »Ich glaube, sie werden bald ein Kind bekommen«, sagte sie und warf ihr aus den Augenwinkeln einen listigen Blick zu.
Jill verbarg ein Lächeln. Nelly war unheilbar neugierig, eine Meisterin im Fischen nach Neuigkeiten, erschnupperte Geheimnisse, bevor überhaupt irgendjemand davon wusste – eine Eigenheit, die sie ihrem Enkel Jonas vererbt zu haben schien.
»Wo sind die Kinder?«, fragte Nelly. »Ich muss mich um sie kümmern.«
»Kira ist sicher bei ihrem Pony, und Luca treibt sich vermutlich wieder in der Küche herum. Es wäre mir eine große Hilfe, wenn du ein Auge auf sie haben könntest, aber nur, wenn es dich nicht zu sehr anstrengt«, setzte sie hinzu, wohl wissend, dass Nelly sofort protestieren würde. Was sie dann auch tat.
»Willst du damit sagen, dass ich alt bin? Und zu nichts nütze?«, fauchte ihre alte Nanny. »Hier«, empört hob sie den rechten Arm und spannte die Armmuskeln an, »der Arm kann noch immer schwere Wassereimer tragen!«
Jill lachte und strich Nelly über die Wange. Jonas hatte im Haus seiner Großmutter eine moderne Küche einbauen lassen. Wassereimer brauchte sie schon lange nicht mehr zu schleppen. »Du bist eine wundervolle Großmutter für Kira und Luca, und ich bin froh, dass ich dich habe.«
Nelly verschränkte die Arme vor der Brust. »Yebo«, brummte sie, aber ein Lächeln zuckte um ihren großzügigen Mund, und Jill hätte schwören können, dass Tränen in ihren Augen glänzten.
Sie sah abermals auf die Uhr. »Ich muss los, Nelly. Sag Thabili Bescheid, dass du hier zu Mittag essen wirst.« Frohgemut zu wissen, dass ihre Kinder unter Aufsicht sein würden, wandte sie sich zum Gehen.
Aber Nelly war noch nicht fertig. Auffällig scharrte sie mit den Füßen und kratzte sich am Kinn. Es war offensichtlich, dass sie noch etwas loswerden wollte.
»Ist noch was, Nelly? Brauchst du noch etwas?«
Nelly stieß einen tiefen Seufzer aus. »Nein, aber etwas ganz Schreckliches ist passiert.« Sie riss Augen und Mund auf, um das Entsetzliche zu unterstreichen.
Jill reagierte, wie es von ihr erwartet wurde. »Was ist Schreckliches passiert?«
Nelly atmete bedeutungsschwer. »Der Mann, der Mpofu genannt wird …«
Eland, übersetzte Jill für sich. Schon für die Buschmänner war die große Antilope heilig. Das Tier, das die Sonne aus den Fängen der Göttin der Finsternis gerettet und wieder an den Himmel gehängt hat. Scott MacLean wurde von den Zulus so genannt.
»Was ist mit Scotty?«
»Der Teufel hat ihn besucht.«
Jill runzelte die Stirn. Was wollte ihr Nelly sagen? Hatte sie sich von ihrer Sangoma schon wieder abstruse Ideen in den Kopf pflan zen lassen? Nellys Welt war unendlich größer als ihre. Sie umfasste nicht nur die reale, sondern auch jene, in der die lange Reihe ihrer Ahnen wohnte, mit denen sie in regem Kontakt stand – was sie jedes Mal mindestens ein Huhn kostete, wenn sie etwas Ernstes auf dem Herzen hatte. Und das Schattenreich, das von Geistern und Teufeln bevölkert wurde, die so wirklich für Nelly waren wie für sie eine Mango, die sie in der Hand halten konnte.
»Der Teufel?« Sie konnte einen spöttischen Unterton nicht
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