Nachtsafari (German Edition)
Marcus, als die Autotür ins Schloss gefallen war. »Hoffentlich wandern die in einer anderen Gruppe als wir, sonst werde ich rabiat.«
»Ach, Leute sind halt so«, erwiderte Silke. »Das musst du locker nehmen. Komm, lass uns ein anderes lauschiges Plätzchen suchen.« Sie bedachte ihn mit einem Lächeln, das ihn veranlasste, schleunigst loszufahren.
Die Sonne stieg höher, die Hitze wurde noch stärker. Kurz vor der Weggabelung, an der sich der Isivivaneni befand, bogen sie ab und fuhren den steilen Weg hoch zur Hügelkuppe. Ein mächtiger, dicht belaubter Baum stand in einsamer Pracht, etwas weiter suhlten sich drei Büffel unter einer Schirmakazie.
»Herrgott, ist das schön«, flüsterte Silke überwältigt.
Marcus hielt an und zeigte stumm auf die Böschung zu ihrer Rechten. Zwei Giraffen erschienen, die zu dem großen Baum stolzierten. Silke war hingerissen und schoss Serienfotos, drehte anschließend noch ein Video und wünschte sich, dass sie für immer in dieser traumhaften Welt bleiben könnte.
Marcus aber startete den Motor wieder. Die Büffel reagierten mit nervösen Ohrenbewegungen auf die Störung, die Madenhacker flatterten aufgescheucht von ihren Rücken hoch, und die Giraffen schlenderten im Kamelgang davon.
»Schade«, bemerkte Silke.
»Mach dir nichts draus, das ist erst der Anfang. Es gibt noch viele Rastplätze, und wir werden noch genug Tiere sehen«, sagte er mit einem verheißungsvollen Funkeln in seinen braunen Augen, das ihr wohlige Schauer über die Haut rieseln ließ.
Doch sie entdeckten kaum Wild. Die meisten Wasserlöcher waren ausgetrocknet, sogar im Crocodile Pond war nicht die kleinste Pfütze übrig geblieben, und außer ein paar Schwalben und Schmetterlingen rührte sich da nichts. Obwohl sie auch die kleinsten Abzweigungen erkundeten, zu jedem Aussichtspunkt fuhren, war das Aufregendste, was sie sahen, eine Herde lebhafter Impalas, die vor ihnen über die Straße liefen. Und nie waren sie ungestört. Entweder stand schon ein Auto dort, oder Motorengeräusch kündigte die Ankunft eines anderen an.
»Vielleicht ist es jetzt über die Mittagszeit zu heiß für Tiere«, meinte Marcus. »Lass uns picknicken, ich habe ohnehin Hunger, und wer weiß, wann wir heute noch zum Essen kommen. Da vorn scheint ein geeigneter Platz zu sein.«
Der Platz hieß Siwa-Saminkhosikazi und lag hoch über einem kleinen Fluss, in dem erstaunlicherweise noch Wasser floss. Lehmig gelbes Wasser, das träge Palmen und Ried umspülte, die sein Ufer säumten. Auf dem Abhang und auf der anderen Seite wuchs dichte, saftig grüne Vegetation, aus der sich eine von Büschen und Bäumen gekrönte Felswand erhob. Auf dem Picknickplatz selbst standen ebenfalls hölzerne Tische und Bänke unter Schatten spendenden Bäumen. Erleichtert stellten sie fest, dass sie den Platz für sich allein hatten. Fragend sahen sie sich an.
»Lass uns erst essen«, sagte Silke schließlich und setzte sich an einen Tisch, der einen wunderbaren Blick über den Fluss auf die Felswand bot. »Danach haben wir Zeit.«
Marcus holte ihren Picknickkorb und packte den Lunch aus, der aus Salat, kaltem Hähnchen, Sandwiches, Karamellpudding und eisgekühlten Colas bestand. Silke war erstaunt, wie hungrig sie war, bis ihr einfiel, dass sie heute nur ein Stück Brot gegessen hatte. Übergangslos sprangen ihre Gedanken zurück zu dem Augenblick im Geländewagen, als sie Ricks Lippen auf ihren gespürt hatte. Blut schoss ihr in den Kopf. Ihr Blick schnellte zu Marcus, von der unsinnigen Angst befallen, dass er ihre Gedanken lesen könnte. Aber er riss gerade mit Genuss ein großes Stück Fleisch aus einem Hähnchenschenkel.
Mit einem innerlichen Aufatmen widmete sie sich dem Salat, und für eine Weile aßen sie schweigend, bis sie sich zufrieden zurücklehnte. Eine satte Müdigkeit breitete sich in ihr aus, ihre von der Hektik des Alltags abgestumpften Sinne schärften sich, sie nahm Dinge wahr, die ihr sonst entgangen waren.
Sie spürte die Erschütterung der Luft, die das Schrillen der Zikaden verursachte, den leisen Windhauch eines vorbeigaukelnden Schmetterlings, hörte das Ried wispern, das Rascheln der Palmen, als erzählten sie einander Geschichten aus längst vergangenen Tagen. Die Welt schien sich langsamer zu drehen, Geräusche flossen ineinander, Farben wurden zu einem psychedelischen Rausch. Sonnenblitze funkelten durchs flirrende Blätterdach, und sie schloss geblendet die Augen. Bis auf das Sirren der Zikaden war es absolut
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