Nachtsafari (German Edition)
vor den Vogelnamen. »Super, oder?«
»Super«, sagte Silke und hoffte, dass die Schäufeles sich bald auf den Weg machen würden.
Frau Schäufele lehnte sich vor. »Heute Abend werden wir mit einem Ranger eine Buschwanderung zu Fuß machen, wie jedes Mal, wenn wir hier sind. Was wir da schon erlebt haben! Sie glauben es nicht.« Sie breitete die Hände aus und blickte himmelwärts. »Das müssen wir Ihnen unbedingt noch erzählen. Ganz und gar unglaubliche Sachen, gell, Rudi?«
»Ganz unglaublich«, bestätigte er.
»Ach, wie interessant. Eine solche Wanderung haben wir auch gebucht«, fiel Marcus ein. »Aber wir übernachten in Mpila, nicht im Hilltop Camp, also werden wir wohl keine Gelegenheit mehr haben, Ihren faszinierenden Erzählungen zu lauschen. Am späten Nachmittag treffen wir uns mit dem Ranger am Nyalazi Gate.«
»Welch ein Zufall, wir haben auch in Mpila gebucht!« Rudi Schäufele klatschte in die Hände. »Wir können uns ja in unserem Bungalow treffen, zu einem Glas Wein. Wir haben einen sehr guten Wein dabei. Ich bin übrigens der Rudi, und das ist die Petra«, sagte Herr Schäufele und grinste. »Wir können ja heute Abend Brüderschaft trinken. Nach dem Game Walk wird es sicher viel zu erzählen geben.«
»Gott bewahre«, murmelte Marcus, aber so leise, dass glücklicherweise wohl nur Silke ihn verstand.
»Ich bin Silke, und das ist Marcus«, versuchte sie schnell abzulenken. »Wissen Sie schon, wohin die Wanderung führen wird?«
Rudi wischte sich Kekskrümel vom Mund und trank ein paar Schlucke Kaffee. »Wir werden ins Jagdgebiet von Shaka Zulu gehen, dem …«
»… legendären Zulukönig«, ergänzte Petra und warf Silke seufzend einen vielsagenden Blick zu. »Von dem träume ich schon, so viel habe ich mir schon über den von Rudi anhören müssen.«
»Na und? Bildung tut nicht weh«, gab ihr Mann fröhlich zurück. »Also, seine Fallgruben, in die er das Wild treiben ließ, sind einigermaßen erhalten, aber was den Game Walk so speziell macht, ist die Tatsache, dass der gesamte südöstliche Teil von Umfolozi das Rückzugsgebiet für die Tiere ist. Touristen dürfen es nur zu Fuß und nur in Begleitung eines Rangers betreten. Unser Ranger ist ein Mann namens Scotty MacLean. Soll der beste und erfahrenste sein. Wir lernen ihn nachher kennen.«
»Den haben wir bereits kennengelernt«, sagte Silke. »Ein sehr sympathischer Mann. Sehr vertrauenerweckend.« Mit energischen Handbewegungen wedelte sie die Insekten weg, die sie und die vielen Kotballen, die auf dem Picknickplatz herumlagen, lautstark umsummten.
Sie lehnte sich mit den Armen auf die warme Oberfläche des Holztischs, den Sonnenkringel als leuchtende Spitzendecke bedeckten. Unter den Bäumen war die Hitze gefangen, kein Blatt bewegte sich. Eine sinnliche Trägheit ergriff von ihr Besitz. Mit geschlossenen Lidern sog sie genussvoll die heiße Luft ein und versuchte, sie in einzelne Duftnoten zu zerlegen. Sonnenwarme Erde, trockenes Gras, der dumpfe Geruch von Moder, überlagert vom süßlichen nach Verwesung, der aus dem Schlamm des einge trockneten Flusses stieg. Der scharfe Gestank von Urin und Dung, der unangenehm in der Nase prickelte.
Und dann war da noch etwas Undefinierbares, etwas, das ihr ins Blut ging wie Wein und das Herz leicht machte. Ihr Blick strich über die Kronen der gedrungenen Palmen, über das im sanften Wind wogende Schilf hinauf in den Himmel, der sich wie eine schimmernde Kristallschale über Zululand wölbte.
»Unendliche Weite«, flüsterte sie.
»Freiheit«, ergänzte Rudi und blickte sich strahlend um.
»Afrika«, sagte Marcus leise, mehr zu sich selbst, aber es lag so viel Leidenschaft in diesem einen Wort, dass ihn Silke verwundert von der Seite ansah. Seine Züge waren weich geworden, sein Blick voller Sehnsucht in die dunstige Ferne gerichtet.
Die Schäufeles machten geräuschvoll Anstalten, ihnen Fotos von Kindern, Enkelkindern, Haus und Ferienhaus zu zeigen, und der Augenblick verflüchtigte sich. Marcus stand abrupt auf und erklärte, dass sie sich sputen müssten, um rechtzeitig in Mpila einzuchecken, und dass sie vorher noch die schönsten Beobachtungspunkte von Hluhluwe besuchen wollten.
Die beiden verzogen enttäuscht ihre Gesichter, zeigten jedoch Verständnis. Mit der hastigen Versicherung, dass sie sich auf jeden Fall heute noch zur Buschwanderung treffen würden und danach zu einem Wein, verabschiedeten sich Silke und Marcus.
»Mein Gott, waren das Nervensägen«, stöhnte
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