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Nachtschicht

Nachtschicht

Titel: Nachtschicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Linken.
    Er ging jetzt in diese Richtung, mußte sich nicht mehr durch den Mais zwängen. Die Reihe führte ihn in die Richtung, die er gehen wollte. Und dann endete die Reihe vor ihm. Endete?
    Nein, lief irgendwie aus. Das Rascheln kam von dort, von einer Art Maislichtung.
    Er hielt, hatte plötzlich Angst.
    Der Geruch des Mais war so stark, daß er unangenehm zu werden begann. In den Reihen hatte sich die Tageshitze gespeichert, und es wurde ihm plötzlich bewußt, daß er mit einer Mischung aus Schweiß, Spreu und dünnen Getreidehalmen übersät war. An sich hätte er Insekten anlocken müssen … aber es waren keine da.
    Er stand still da, starrte auf die Stelle, in der sich der Mais zu einem großen Kreis öffnete, auf dem überhaupt nichts zu wachsen schien.
    Es gab keine Mücken oder Moskitos, weder Stechfliegen noch Milben - diese Art von Insekten, die Vicky in ihrer Verlobungszeit »Eindringlinge« genannt hatte, dachte er mit einem plötzlichen und unerwartet nostalgischen Gefühl. Und er sah keine einzige Krähe. Was war das für ein gespenstischer Ort, ein Maisfeld ohne Krähen?
    Im verblassenden Tageslicht betrachtete er die Maisreihen zu seiner Linken und sah, daß jede Reihe, jeder Kolben perfekt ausgerichtet war, was einfach unmöglich war. Kein Schädlingsbefall. Keine abgerissenen Blätter, keine Raupenspur, keine Erdlöcher, keine -
    Seine Augen weiteten sich.
    Mein Gott, da war überhaupt kein Unkraut!
    Nicht ein einziges. In einem Abstand von einem halben Fuß wuchs der Mais senkrecht aus dem Boden. Er sah weder Brennesseln noch Löwenzahn, Schafgarbe, Kamille oder Klatschmohn. Nichts.
    Burts Augen waren weit aufgerissen. Das Licht der untergehenden Sonne ließ nach. Die hellen Wolken hatten sich weiterbewegt. Unter ihnen verblaßte das goldene Licht in rötlichen und ockerfarbenen Tönen. Es würde bald dunkel sein.
    Es war an der Zeit, in die Lichtung einzudringen und sich dem zu stellen, was er dort vorfinden würde - war das von Anfang an so geplant gewesen? All die Zeit, in der er geglaubt hatte, sich auf die Schnellstraße zuzubewegen, war er da zu diesem Platz geführt worden?
    Mit verkrampftem Magen bewegte er sich die Reihe hinunter und stand am Ende der Lichtung. Es war noch so hell, daß er erkennen konnte, was sich dort befand. Er konnte nicht schreien. Es schien nicht mehr genug Luft in ihm zu sein. Er torkelte auf weichen Knien vorwärts. Seine Augen quollen ihm fast aus dem verschwitzten Gesicht.
    »Vicky«, flüsterte er. »O Vicky, mein Gott -«
    Sie war wie ein heidnisches Opfer auf einer Querlatte aufgeschnallt worden, die Arme wurden an den Handgelenken gehalten, und ihre Beine waren an den Knöchern mit normalem Stacheldraht festgezurrt worden, den man für 70 Cent in jedem Eisenwarengeschäft in Nebraska kaufen konnte. Man hatte ihr die Augen ausgehöhlt. In die leeren Augenhöhlen war Spreu gestopft worden. Ihr Kiefer war wie zu einem stummen Schrei geöffnet, ihr Mund war mit Maiskolben vollgestopft.
    Zu ihrer Linken befand sich ein Skelett in einem vermoderten Chorhemd. Die nackten Unterkieferknochen grinsten. Die Augenhöhlen schienen Burt schalkhaft zuzuzwinkern, als ob der ehemalige Pfarrer der BAPTISTEN GNADEN KIRCHE sagen wollte: Es ist gar nicht so schlimm, von heidnischen Teufelskindern im Mais geopfert zu werden, die Augen aus dem Schädel herausgerissen zu bekommen, ganz wie es das Gesetz von Moses befiehlt, es ist gar nicht so schlimm-. Links von dem Skelett in dem Chorhemd befand sich ein weiteres Skelett, das in eine verrottete blaue Uniform gekleidet war. Eine Mütze hing über dem Schädel und verbarg die Augen, mühsam konnte Burt die Worte auf dem grünlichen Band der Mütze entziffern: POLIZEICHEF.
    Und dann hörte Burt, wie es kam: nicht die Kinder, aber etwas viel Größeres, das sich durch den Mais bewegte und auf die Lichtung zuhielt. Nicht die Kinder, nein. Die Kinder würden sich nicht in der Nacht im Mais aufhalten. Dies hier war ein heiliger Ort, der Ort von ihm, der hinter den Reihen wandelte.
    Mit einem Satz wandte sich Burt zur Flucht. Die Reihe, die ihn zur Lichtung geführt hatte, war verschwunden. Sie hatte sich geschlossen. Alle Reihen hätten sich geschlossen. Es kam näher, und er konnte hören, wie der Mais zur Seite gedrückt wurde. Er hörte seinen eigenen, stoßartigen Atem. Eine fast übernatürliche Panik ergriff ihn. Es kam. Der Mais auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung verdunkelte sich plötzlich, als ob er von einem

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