Nachtschicht
nach einem Streit, bei dem es um gestohlene Papiere ging, in Massachusetts nieder. Über Philips Seite weiß ich nur wenig, außer daß der Schatten des Unglücks auf diesen Zweig der Familie gefallen ist, der sich vom Vater auf den Sohn und die Enkel erstreckt - Marcella starb in einem tragischen Unfall, und Stephen stürzte zu Tode.
Es war sein Wunsch, daß Chapelwaite das Zuhause von mir und den meinen und der Riß in der Familie auf diese Weise wieder zusammengefügt werden sollte.«
»Er läßt sich nicht zusammenfügen«, flüsterte sie. »Sie wissen nichts über die ursprüngliche Auseinandersetzung?«
»Robert Boone wurde dabei überrascht, wie er etwas aus dem Schreibtisch seines Bruders stehlen wollte.«
»Philip Boone war verrückt«, erklärte sie. »Ein Mann, der mit dem Bösen Geschäfte machte. Das, was Robert Boone versuchte, wegzunehmen, war eine gottlose Bibel, die in den alten Sprachen geschrieben war - Latein, Druidisch und anderen. Ein Höllenbuch.«
»De Vermis Mysteriis.«
Sie zuckte zusammen, als ob sie einen Schlag ins Gesicht bekommen hätte. »Sie kennen es?«
»Ich habe es gesehen … es berührt.« Wieder sah es so aus, als ob sie in Ohnmacht fallen würde. Sie hob eine Hand an den Mund, als wolle sie einen Aufschrei unterdrücken. »Ja, in Jerusalem’s Lot. Auf der Kanzel einer verderbten und entweihten Kirche.«
»Es ist also noch da; es ist immer noch da.« Sie schaukelte in ihrem Stuhl. »Ich hatte gehofft, Gott hätte es in Seiner Weisheit in den dunkelsten Schlund der Hölle geschleudert.«
»Welche Verbindung hatte Philip Boone zu Jerusalem’s Lot?«
»Eine der Blutsverwandtschaft«, antwortete sie düster. »Das Mal des Tieres lag schon auf ihm, auch wenn er noch in den Kleidern des Lammes umherging. Und in der Nacht des 31.Oktober 1789 verschwand Philip Boone dann … und die gesamte Bevölkerung jenes verfluchten kleinen Dorfs mit ihm.«
Sie wollte nicht viel mehr sagen, und ich hatte den Eindruck, daß sie auch nicht viel mehr wußte. Mrs. Cloris wiederholte nur ihre inständige Bitte, ich möge abreisen, und gab als Grund irgend etwas von »Blut, das Blut ruft« an und murmelte etwas über »jene, die wachen und jene, die hüten«. Je weiter die Dämmerung fortschritt, desto erregter schien sie zu werden, und um sie zu beruhigen, versprach ich ihr, daß ich mir ihren Wunsch gründlich durch den Kopf gehen lassen würde.
Ich ging nach Hause durch länger werdende, düstere Schatten. Meine heitere Laune war gänzlich verflogen, und mein Kopf schwirrte vor Fragen, die mich auch jetzt noch quälen. Cal begrüßte mich mit der Neuigkeit, daß unsere Geräusche in den Wänden noch schlimmer geworden seien - wie ich selbst in diesem Moment bestätigen kann. Ich versuche, mir einzureden, daß ich nur Ratten höre, aber dann taucht vor meinen Augen das verängstigte, ernste Gesicht von Mrs. Cloris auf.
Der Mond ist über dem Meer aufgegangen, prall und aufgebläht, die Farbe wie Blut, besudelt er den Ozean mit einem verderblichen Schatten. Meine Gedanken kehren wieder zu jener Kirche zurück, und …(hier ist eine Zeile durchgestrichen).
Nein, das sollst Du nicht lesen, Bones. Es ist zu verrückt. Ich glaube, es ist Zeit, daß ich zu Bett gehe. Meine Gedanken gehen hinaus zu Dir.
Es grüßt Dich
Dein CHARLES.
(Das folgende stammt aus dem Tagebuch von Calvin McCann.)
20. Oktober‘50
Nahm mir heute morgen die Freiheit, den Verschluß, der das Buch zusammenhält, aufzubrechen; habe es getan, bevor Mr. Boone aufstand. Keinen Sinn; es ist alles verschlüsselt. Ich glaube, es ist ein einfacher Code. Vielleicht kann ich ihn genauso leicht brechen wie den Verschluß. Ich bin überzeugt, daß es ein Tagebuch ist; die Handschrift ist der von Mr. Boone merkwürdig ähnlich. Von wem mag dieses Buch sein, das in der hintersten Ecke dieser Bibliothek versteckt stand und verschlossen war? Es sieht alt aus, aber wie kann man das genau sagen? Die zersetzende Luft ist größtenteils von den Seiten, ferngehalten worden. Mehr später, wenn ich Zeit habe; Mr. Boone drängt darauf, den Keller zu untersuchen. Habe Angst, daß diese schrecklichen Vorgänge zu viel für seine noch labile Gesundheit sind. Ich muß versuchen, ihn zu überzeugen - Aber er kommt.
20. Oktober 1850
Bones,
ich kann nicht schreiben ich kann[sic] noch nicht darüber schreiben ich ich ich
(Aus dem Tagebuch von Calvin McCann)
20. Oktober‘50
Wie ich befürchtet habe, hat sich sein Gesundheitszustand
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