Nachtschicht
wieder stark verschlechtert -
Gütiger Gott, unser Vater, der Du bist im Himmel!
Kann einfach nicht darüber nachdenken; und doch hat es sich unauslöschlich in mein Gehirn eingebrannt; jenes Grauen im Keller …!
Bin jetzt allein; halb neun; das Haus ist still, aber …
Fand ihn ohnmächtig über seinem Schreibtisch; er schläft noch immer; und doch, wie vortrefflich hat er sich während jener wenigen Augenblicke gehalten, als ich selbst wie gelähmt und betäubt dastand!
Seine Haut ist wächsern und kalt. Gott sei Dank, daß es nicht wieder das Fieber ist. Ich wage nicht, ihn zu bewegen oder ihn alleinzulassen, um ins Dorf zu gehen. Und wenn ich ginge, wer würde schon mit mir zurückkommen, um ihm zu helfen? Wer würde dieses verfluchte Haus betreten?
Der Keller, mein Gott! Diese Kreaturen im Keller, die dieses Haus beherbergt!
22. Oktober 1850
Lieber Bones,
wenn auch schwach, so bin ich endlich, nach sechsunddreißig Stunden Bewußtlosigkeit, wieder ich selbst. Wieder ich selbst … welch ein grausamer und bitterer Scherz! Ich werde nie wieder ich selbst sein, nie wieder. Ich bin dem Wahnsinn und dem Grauen begegnet, wie es sich kein Mensch vorstellen kann. Und es ist noch nicht zu Ende.
Ich glaube, wenn Cal nicht wäre, würde ich meinem Leben in dieser Minute ein Ende machen. Er ist die einzige Insel der geistigen Normalität inmitten all dieses Wahnsinns.
Du sollst alles wissen.
Wir hatten uns für unsere Erkundung des Kellers mit Kerzen versorgt, die einen starken Schein warfen, der hell genug war - und wie hell genug! Cal versuchte, mir das Unternehmen auszureden, indem er meine kürzliche Krankheit anführte und meinte, daß wir wahrscheinlich allerhöchstens ein paar fette Ratten finden würden, für die wir Gift auslegen konnten.
Ich blieb jedoch bei meinem Entschluß, worauf Calvin seufzte und antwortete: »Dann tun Sie, was Sie nicht lassen können, Mr. Boone.«
Man erreicht den Keller mittels einer Falltür in der Küche (die Calvin seitdem, wie er mir versichert, fest verbarrikadiert hat), und es gelang uns nur unter großer Mühe und Anstrengung, sie hochzuheben.
Ein überwältigender Gestank stieg aus der Dunkelheit zu uns herauf, nicht unähnlich dem, der das verlassene Dorf jenseits des Royal River durchzogen hatte. Die Kerze in meiner Hand warf ihr Licht auf eine steile Treppe, die hinunter in tiefe Schwärze führte. Die Stufen befanden sich in einem entsetzlichen Zustand - an einer Stelle fehlte eine ganz, und dort gähnte ein schwarzes Loch. Es war unschwer zu erkennen, wie die unglückliche Marcella hier möglicherweise ihr Ende gefunden hatte.
»Seien Sie vorsichtig, Mr. Boone!« warnte mich Cal, und ich versicherte ihm, daß ich seinen Rat ganz bestimmt beherzigen würde, worauf wir uns an den Abstieg machten.
Der Boden bestand aus Erde, die Wände waren aus hartem Granit. Es war kaum feucht hier unten, und der Keller sah ganz und gar nicht nach einem Paradies für Ratten aus, denn es gab nichts von der Art von Dingen, in denen Ratten gern ihre Nester bauen, wie alte Schachteln, ausrangierte Möbelstücke, Stapel von Papier und dererlei. Wir hoben unsere Kerzen höher und gewannen so einen kleinen Lichtkreis, konnten aber immer noch recht wenig sehen. Der Boden fiel allmählich ab und schien unter dem großen Wohnzimmer und dem Eßzimmer herzulaufen - das heißt, nach Westen. Dies war die Richtung, in die wir gingen. Alles war totenstill. Der Gestank in der Luft wurde zusehends intensiver, und die Dunkelheit um uns herum schien dicht wie Watte, als sei sie neidisch auf das Licht, das ihr nun nach so vielen Jahren unbestrittener Herrschaft vorübergehend die Macht nahm.
Auf der anderen Seite, wurden die Granitwände von poliertem Holz abgelöst, das absolut schwarz und ohne jede reflektie-rende Eigenschaft zu sein schien. Hier endete der Keller in einer Art Alkoven, der sich an den Hauptraum anschloß. Er war in einem Winkel angelegt, der es einem unmöglich machte, in ihn hineinzusehen, ohne um die Ecke zu treten.
Das taten Calvin und ich nun.
Es war, als ob sich ein böses Gespenst dieser bedrückenden und finsteren Vergangenheit vor uns erhoben hätte. In diesem Alkoven stand ein einzelner Stuhl, und über ihm hing von einer Öse in einem der starken Deckenbalken eine vermoderte Schlinge herab.
»Hier also hat er sich erhängt«, murmelte Cal. »Mein Gott!«
»Ja … und die Leiche seiner Tochter lag hinter ihm, am Fuß der Treppe.«
Cal setzte zu einer
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