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Nachtschicht

Nachtschicht

Titel: Nachtschicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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selbst entschlüsselt hat. Er behauptet in seiner Bescheidenheit, daß er die Entdeckung nur einem Zufall zu verdanken habe, aber ich vermute eher, daß die Lösung mehr auf Ausdauer und harte Arbeit zurückzuführen ist.
    Wie auch immer, welch ein düsteres Licht wirft es auf unsere Geheimnisse hier!
    Der erste Eintrag stammt vom I.Jura 1789, der letzte vom 27. Oktober 1789 - vier Tage vor der Katastrophe in Jerusalem’s Lot, von der Mrs. Cloris gesprochen hat. Das Buch erzählt die Geschichte einer wachsenden Besessenheit - nein, Wahnsinn - und macht in schrecklicher Weise die Verbindung zwischen Großonkel Philip, Jerusalem’s Lot und dem Buch deutlich, das in jener entweihten Kirche ruht.
    Das Dorf ist laut Robert Boone älter als Chapelwaite (das 1782 erbaut wurde) und Preacher’s Corners (das damals den Namen Preacher’s Rest trug und 1741 gegründet wurde); es wurde 1710 von einer Splittergruppe des puritanischen Glaubens gegründet, eine Sekte, deren Oberhaupt ein streng religiöser Fanatiker namens James Boon war. Wie überrascht ich war, ab ich diesen Namen las! Ich glaube, es gibt kaum einen Zweifel daran, daß dieser Boon mit meiner Familie verwandt ist. Mrs. Cloris hatte absolut recht mit ihrer abergläubischen Behauptung, daß die familiäre Blutlinie in diesem Fall von entscheidender Bedeutung ist, und ich denke mit Entsetzen an ihre Antwort auf meine Frage nach Philip und seiner Verbindung zu Salem’s Lot zurück. »Eine der Blutsverwandtschaft«, hatte sie gesagt, und ich fürchte, daß es tatsächlich so ist.
    Es entstand eine feste Niederlassung um die Kirche herum, in der Boon predigte - oder hofhielt. Mein Großvater deutet an, daß er auch mit einer Reihe von Damen der Gemeinde Verkehr hatte und ihnen versicherte, daß dies Gottes Weg und Wille sei.
    Als Folge davon entwickelte sich die Gemeinde zu einer Anomalie, wie es sie nur in jenen isolierten und merkwürdigen Tagen gegeben haben konnte, als der Glaube an Hexen und die Jungfrauengeburt Hand in Hand existierten: ein durch Inzucht weitgehend degeneriertes Dorf, das von einem halb verrückten Prediger beherrscht wurde, dessen beide Evangelien die Bibel und de Goudges unseliges Buch Wohnsitz der Dämonen waren; eine Gemeinde, in der regelmäßig die Riten des Exorzismus abgehalten wurden; eine Gemeinde des Inzests, des Wahnsinns und der Mißgeburten, die jene Sünde so häufig begleiten.
    Ich vermute (was wohl auch Robert Boone vermutet hat), daß einer von Boons unehelichen Nachkommen Jerusalem’s Lot verlassen hat (oder heimlich fortgeschafft worden ist), um sein Glück im Süden zu suchen - und so unsere jetzige Linie begründet hat. Nach dem, was mir von meiner Familie bekannt ist, soll unsere Sippe aus jenem Teil von Massachusetts stammen, der jüngst der souveräne Staat Maine geworden ist. Mein Urgroßvater, Kenneth Boone, wurde infolge des damals florierenden Pelzhandels zum reichen Mann. Mit seinem Geld, das im Laufe der Zeit und durch kluge Investitionen weiter ver-mehrt wurde, wurde dieser Familiensitz 1763, lange nach seinem Tod, gebaut. Es waren seine Söhne, Philip und Robert, die Chapelwaite bauten. Blut ruft Blut, hat Mrs. Cloris gesagt.
    Könnte es sein, daß Kenneth der Sohn von James Boon war, der vor dem Wahnsinn seines Vaters und des Dorfes floh, nur damit dann seine Söhne, die von all dem nichts wußten, keine zwei Meilen vom Ursprung der Boon? entfernt den Familiensitz der Boones bauten? Wenn dies so ist, scheint es dann nicht so, daß uns eine mächtige und unsichtbare Hand geleitet hat?
    Laut Roberts Tagebuch war James Boon 1789 bereits uralt - und das muß er tatsächlich gewesen sein. Angenommen, er war fünfundzwanzig, als das Dorf gegründet wurde, dann müßte er damals einhundertvier gewesen sein, ein ungewöhnliches Alter. Das folgende ist wörtlich aus Robert Boones Tagebuch zitiert:

    4. August 1789
    Heute bin ich zum erstenmal diesem Mann begegnet, von dem mein Bruder so gefährlich gefesselt ist; ich muß zugeben, daß von diesem Boon eine starke Anziehungskraft ausgeht, die mich in höchstem Maße beunruhigt. Er ist wahrhaft ein Alter, mit weißem Bart und bekleidet mit einer schwarzen Soutane, die mir irgendwie obszön vorkam. Noch beunruhigender aber war die Tatsache, daß er von Frauen umgeben war, so wie ein Sultan von seinem Harem; P. hat mir versichert, daß er noch aktiv sei, obwohl er mindestens achtzig sein muß …
    Das Dorf selbst hatte ich erst ein einziges Mal zuvor besucht, und

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