Nachtschicht
ein paar Krokusse, ein bißchen Farnkraut, das genügt. Sie wird schon nicht sagen ›O Junge, wie schön, wie teuer waren die, oh, du sollst doch nicht so mit dem Geld rumschmeißen‹.«
Der junge Mann warf seinen Kopf zurück und lachte.
»Doch wenn sie für die Liebste sind«, fuhr der Alte fort, »dann ist das etwas anderes, mein Sohn, das weißt du. Schenk ihr Rosen, und sie wird nicht weiter fragen, verstehst du? Ha! Sie wird sich an dich drücken und ihre Arme um deinen Hals schlingen -«
»Ich nehme die Rosen«, sagte der junge Mann, und jetzt war es der Blumenhändler, der lachen mußte. Die beiden Männer, die die Münzen gegen die Haüswand schnippten, schauten herüber und lächelten.
»He Junge!« rief einer von ihnen. »Brauchst du einen Trauring? Du kannst meinen haben, ich brauche ihn nicht mehr.«
Der junge Mann grinste, und fuhr sich verlegen durchs Haar.
Der Blumenverkäufer suchte sechs Teeröschen aus, schnitt die Enden der Stengel ab, spritzte sie ein wenig ab und schlug sie in einen großen Papierbogen ein.
»Das Wetter heute abend wird ganz nach Ihrem Geschmack sein«, sagte das Radio. »Milde Meeresluft, Temperaturen um zwanzig Grad, perfekt zum Träumen und zum Sterne anschaun. Freu dich, New York, freu dich!«
Der Blumenmann befestigte das Papier mit Klebeband und empfahl dem jungen Mann, seiner Freundin zu sagen, daß ein wenig Zucker im Blumenwasser dafür sorgen würde, daß die Rosen ein paar Tage länger hielten.
»Danke«, sagte der Mann, »danke«, und zog eine Fünfdollarnote aus der Tasche.
»Ach, ich mach nur meine Arbeit, mein Lieber«, erwiderte der Verkäufer, als er ihm das Wechselgeld auf die Hand zählte.
In sein Lächeln mischte sich ein Anflug von Traurigkeit. »Und gib ihr einen Kuß von mir.«
Im Radio sangen die Four Seasons gerade ihren Song
»Sherry«. Er steckte das Geld in die Tasche und ging weiter.
Seine Augen waren weit geöffnet, wach und lebendig. Sie sahen weniger das pulsierende Leben auf der Third Avenue, vielmehr waren sie nach innen gerichtet und voller freudiger Erwartung. Von dem, was um ihn herum vorging, nahm er nur einzelne Szenen wahr: Eine junge Mutter schob einen Säugling vor sich her, dessen Gesicht über und über mit Eiskrem beschmiert war; ein kleines Mädchen beim Seilspringen, einen Kinderreim keuchend: »Verliebt, verlobt, verheiratet …« Zwei Frauen standen vor einem Waschsalon und unterhielten sich über ihre Schwangerschaften. Ein paar Männer standen vor dem Schaufenster eines Fernsehgeschäfts und starrten auf einen riesigen Farbfernseher mit einem vierstelligen Preisschild. Es lief gerade ein Baseballspiel, die Gesichter der Spieler sahen kräftig grün aus. Das Spielfeld war erdbeerrot, und die New York Mets lagen mit sechs zu eins in Führung vor den Phillies.
Mit den Blumen in der Hand ging er immer weiter. Er merkte nicht, daß die Frauen vor dem Waschsalon einen Moment zu schwatzen aufhörten, als er mit seinem Rosenstrauß vorbeiging; die Zeiten, wo sie noch Blumen geschenkt bekamen, waren längst vorbei.
Er bemerkte auch den jungen Schutzmann nicht, der mit seiner Trillerpfeife die Autos an der Kreuzung von Dritter und Neunundsechzigster anhielt, um ihn über die Straße zu lassen.
Der Polizist war selbst verlobt und kannte den verträumten Ausdruck im Gesicht des jungen Mannes gut von sich selbst, wie er sich jeden Morgen im Rasierspiegel sah. Er nahm auch die beiden Teenager nicht wahr, die ihm entgegenkamen und beim Vorbeigehen die Köpfe zusammensteckten und kicherten.
An der dreiundsiebzigsten Straße blieb er stehen und ging rechts ab. Diese Straße war etwas dunkler und bot ein italienisches Restaurant neben dem anderen. Drei Blocks weiter stand eine Menschentraube um Boulespieler herum, doch so weit ging der junge Mann gar nicht. Nach kurzer Zeit bog er in eine enge Seitenstraße ein.
Die Sterne schimmerten jetzt weich am fast schwarzen Himmel. Die Straße lag fast ganz im Dunkeln und war gesäumt von überfüllten Mülleimern. Der junge Mann war jetzt allein - doch nicht ganz. Ein furchtbares Wimmern kam aus dem Schatten, er fröstelte. Irgendein Kater gab ein ohrenbetäubendes, klagendes Liebeslied von sich, und daran war absolut nichts Schönes.
Er ging noch langsamer und schaute auf seine Uhr. Es war Viertel nach Sieben, Norma würde jetzt -
Dann sah er sie. Sie kam aus einem Hinterhof, ihre blaue Hose und ihre Matrosenbluse ließen sein Herz klopfen. Jedesmal war es eine Überraschung,
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