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Nachtschicht

Nachtschicht

Titel: Nachtschicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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nicht die geringste Aussicht, am Donnerstag fertigzuwerden.
    In der nächsten Sektion lagen in einer Ecke Büromöbel aus dem neunzehnten Jahrhundert wild durcheinander - zertrümmerte Rollschränke, verrottete Akten, geheftete Rechnungen, zerbrochene Stühle.
    Ein Paradies für Ratten. Zu Dutzenden rannten sie pfeifend zwischen dem Gerümpel hin und her. Als zwei Männer gebissen wurden, weigerten sich die anderen weiterzuarbeiten.
    Warwick mußte erst dicke Gummihandschuhe aus der Färberei holen lassen, wo mit Säure hantiert wurde.
    Hall und Wisconsky standen mit ihren Schläuchen bereit, als Carmichael, ein rothaariger, stiernackiger Kerl, plötzlich flu-chend zurücksprang und sich mit den Fäusten auf die Brust schlug.
    Eine riesige Ratte mit graugestreiftem Fell und häßlichen funkelnden Augen hatte sich in sein Hemd verbissen und hing dort. Dabei zappelte sie mit den Hinterpfoten. Es gelang Carmichael, sie abzuschütteln, aber sein Hemd hatte ein großes Loch, und aus einer Wunde oberhalb der einen Brustwarze floß Blut.
    Die Wut wich aus seinem Gesicht. Er wandte sich zur Seite und übergab sich.
    Hall richtete den Wasserstrahl auf die Ratte, ein altes, langsames Tier, das immer noch ein Stück von Carmichaels Hemd zwischen den Zähnen hatte. Der Druck schleuderte sie gegen die Wand, wo sie schlaff liegenblieb.
    Mit seltsam verzerrtem Gesicht kam Warwick herbei. Er schlug Hall auf die Schulter. »Na, Student, das macht wohl mehr Spaß, als Dosen nach den kleinen Tierchen zu schmeißen.«
    »Kleine Tierchen ist gut«, sagte Wisconsky. »Das Ding ist mindestens dreißig Zentimeter lang.«
    »Den Schlauch dort rüber«, sagte Warwick und zeigte auf den Möbelhaufen. »Aus dem Weg, Jungs.«
    »Mit Vergnügen«, murmelte jemand.
    Carmichael baute sich vor Warwick auf. Er wirkte krank, und sein Gesicht zuckte. »Ich verlange eine Entschädigung! Ich werde nicht eher -«
    »Klar«, sagte Warwick lächelnd. »Sie hat dich in die Titten gebissen. Und jetzt aus dem Weg, sonst klebst du gleich an der Wand.«
    Hall richtete den Schlauch auf die Trümmer und legte los.
    Der Strahl explodierte förmlich. Weiß schäumend riß er einen Schreibtisch um und ließ zwei Stühle zersplittern. Überall rannten Ratten. So große hatte Hall noch nie gesehen. Er hörte die entsetzten Schreie der Männer, als die widerlichen Kreaturen mit ihren großen Augen und glatten fetten Leibern sich in Sicherheit brachten. Eine der Ratten war so groß wie ein gesunder sechs Wochen alter Hund. Hall machte weiter, bis er keine mehr sah. Dann stellte er das Wasser ab.
    »Okay«, rief Warwick. »Schafft das Gerümpel raus!«
    »Ich habe mich nicht als Kammerjäger einstellen lassen«, sagte Cy Ippeston aufsässig. Hall hatte vor einer Woche mit ihm ein paar getrunken. Er war noch jung und trug eine dreckige Baseballmütze und ein T-Shirt.
    »Waren Sie das, Ippeston?« fragte Warwick freundlich.
    Ippeston zögerte, aber dann trat er vor. »Sie haben mich zum Saubermachen herbestellt und nicht, um Tollwut oder Typhus zu kriegen. Sie sollten besser auf mich verzichten.«
    Von den anderen kam zustimmendes Gemurmel. Wisconsky sah Hall verstohlen an, aber Hall inspizierte die Düse an seinem Schlauch. Sie hatte das Kaliber eines Fünfundvierzigers, und wahrscheinlich konnte man mit ihr jeden Mann von den Füßen holen.
    »Sie wollen also die Uhr stechen, Cy?«
    »Ich hätte nicht übel Lust«, sagte Ippeston.
    Warwick nickte. »Okay. Wer will, kann gehen. Aber dieser Laden ist nicht gewerkschaftlich organisiert. Wer heute abhaut, braucht nicht wiederzukommen. Auch nicht nächste Woche. Dafür werde ich sorgen.«
    »Scheißkerl«, murmelte Hall.
    Warwick fuhr herum. »Sagten Sie was, Student?«
    Hall sah ihn unschuldig an. »Ich hab mich nur geräuspert, Vorarbeiter.«
    Warwick lächelte. »Ihnen hat wohl was nicht geschmeckt?«
    Hall schwieg.
    »Okay, weitermachen!« brüllte Warwick.
    Sie machten sich wieder an die Arbeit.

    Zwei Uhr nachts. Donnerstag.
    Hall und Wisconsky arbeiteten wieder mit den Elektrokarren und suchten Gerümpel zusammen. Der Haufen im Westflügel hatte schon eine beachtliche Höhe erreicht, aber sie waren noch nicht halb fertig.
    »Fröhlicher Vierter Juli«, sagte Wisconsky, als sie die Arbeit unterbrachen, .um eine zu rauchen. Sie arbeiteten in der Nähe der Nordwand und waren weit von der Treppe entfernt. Hier war es fast dunkel, und irgendwie ließ die Akustik die ändern Männer Meilen weit weg erscheinen.
    »Danke.«

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