Nachtschicht
Schal um die Ohren. Wir blieben eine Weile im Eingang stehen, während ßertie sich die Handschuhe anzog. Sein Gesicht zuckte gequält, und ich verstand sehr gut, daß er sich nicht sonderlich wohl fühlte.
Junge Leute haben gut lachen. Es macht ihnen nichts aus, den ganzen Tag skizulaufen oder mit diesen verdammten wespenflügeligen Schneemobilen in der Gegend herumzufahren. Aber wenn man erst einmal siebzig ist, und das ohne Ölwechsel, geht einem der Nordostwind durch Mark und Bein.
»Ich will euch nicht erschrecken, Jungs«, sagte Henry und hatte immer noch dieses seltsame, angewiderte Lachern auf den Lippen. »Aber ich werde euch alles zeigen. Und unterwegs werde ich euch erzählen, was der Junge mir gesagt hat … das müßt ihr nämlich wissen, versteht ihr?«
Und er zog eine Pistole Kaliber .45 aus der Tasche. Seit er den Laden rund um die Uhr geöffnet hielt, lag das Ding ständig schußbereit unter seinem Tresen. Ich weiß nicht, woher er die Waffe hat, aber ich weiß, daß er sie einmal zog, als ein Kerl reinkam und Geld wollte. Der Junge verschwand wesentlich schneller als er gekommen war. Henry war schon kaltblütig. Einmal schmiß er einen Studenten raus, der unbedingt mit einem Scheck bezahlen wollte.
Der Junge ging raus, als säße ihm der Arsch schief.
Anschließend machte er sich in die Hose.
Ich erzähle das alles nur, weil Henry Bertie und mir zeigen wollte, daß die Sache nicht lustig war, und das glaubten wir ihm gern.
Wir machten uns also auf den Weg und stemmten uns wie die Waschfrauen gegen den Wind. Henry schob den Karren und erzählte uns, was der Junge gesagt hatte. Der Wind wollte die Worte wegreißen, bevor wir sie hörten, aber wir verstanden das meiste - wir verstanden mehr, als uns lieb war. Ich war verdammt froh, daß Henry seine Kanone in der Manteltasche stecken hatte.
Der Junge sagte, es muß das Bier gewesen sein - man weiß ja, daß hin und wieder eine Dose schlecht ist. Schal oder sauer oder grün wie die Pinkelflecken in der Unterwäsche eines Iren.
Jemand hat mir mal gesagt, daß ein winziges Loch genügt, und schon kommen Bakterien rein und verursachen seltsame Veränderungen. Das Loch mag so klein sein, daß kein Bier rausläuft, aber die Bakterien kommen rein, und Bier ist für einige der kleinen Dinger hervorragende Nahrung.
Jedenfalls sagte der Junge, Richie hätte an jenem Oktoberabend wie immer einen Karton Golden Light mit nach Hause gebracht. Während Timmy seine Hausaufgaben machte, fing Richie an zu saufen.
Timmy wollte gerade ins Bett gehen, als er Richie sagen hörte: »Mein Gott, hier stimmt was nicht.«
Und Timmy fragte: »Was ist denn, Daddy?«
»Das Bier«, sagte Richie. »Verdammt, das ist der schlechteste. Geschmack, den ich je im Mund hatte.«
Man könnte sich fragen, warum in aller Welt Richie das Bier getrunken hat, wenn es so schlecht schmeckte, aber man muß Richie Grenadine einmal Bier trinken gesehen haben. Ich war an einem Nachmittag in Wallys Kneipe und habe gesehen, wie er eine Wahnsinnswette gewann. Er wettete mit einem Kerl, daß Richie in einer Minute zwanzig Glas Bier trinken könne.
Von den Einheimischen ging keiner darauf ein, aber dieser Handelsvertreter aus Montpelier legte eine Zwanzigdollarnote hin und Richie legte seine daneben. Er trank alle zwanzig und hatte noch sieben Sekunden Zeit.
Als er rausging, war er allerdings nicht mehr, sonderlich gut zu Fuß. Deshalb glaube ich, daß er die Dose wohl schon ausgesoffen hatte, bevor sein Verstand ihn warnte.
»Ich muß kotzen«, sagte Richie. »Paß auf!«
Als er die Toilette erreichte, war der Anfall aber schon vorüber. Der Junge sagte, er habe an der Dose gerochen, und sie habe gerochen, als sei etwas hineingekrochen und gestorben. Und oben an der Dose seien graue Tropfen gewesen.
Zwei Tage später kam der Junge aus der Schule, und Richie saß vor der Glotze und sah sich irgendeine Schnulze an. Es war erst Nachmittag, aber alle Vorhänge in der ganzen Wohnung waren zugezogen.
»Was ist los?« fragte Timmy, denn Richie trudelte selten vor neun Uhr abends zu Hause ein.
»Ich sehe fern«, sagte Richie. »Heute hatte ich keine Lust auszugehen.«
Timmy schaltete das Licht über der Spüle an, und Richie brüllte ihn an: »Mach das verdammte Licht aus!«
Das tat Timmy, und er hat nicht erst gefragt, wie er denn im Dunkeln seine Hausaufgaben machen soll. Wenn Richie in einer solchen Stimmung ist, fragt man ihn am besten überhaupt nichts.
»Geh los und hol mir einen
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