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Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind

Titel: Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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entriegelte die Motorhaube und lief nach vorn. Sie hatte stets darauf geachtet, sich möglichst viel Wissen über alle Arten von Fahrzeugen anzueignen - denn in einem County wie Kennesha hat der größte Teil der Polizeiarbeit mit Autos und Lastwagen zu tun. Brynn kannte sich nicht nur mit der Technik aus, sondern konnte die meisten
Wagen auch fahren. Nun hebelte sie mit ihrem Messer unter Aufbietung aller Kräfte die Anschlussklemme vom Pluspol der Batterie. Das gellende Hupen hörte endlich auf.
    »Was ist passiert?«
    »Ich hab nur …«, setzte Michelle klagend an. »Es ist nicht meine Schuld!«
    Nein? Wessen denn sonst?
    »Ich habe einen niedrigen Blutzuckerspiegel«, fuhr sie fort. »Mir wurde schwindlig. Ich hatte ein paar Kekse mitgebracht.« Sie deutete auf eine Tüte, die auf der Rückbank lag. »Manchmal werde ich ohnmächtig, wenn ich nichts zu essen bekomme«, verteidigte sie sich kleinlaut.
    »Okay«, sagte Brynn, die es absichtlich vermieden hatte, den Mercedes aufzubrechen, weil sie gewusst hatte, dass er durch einen Alarm gesichert war. Sie stieg schnell ein, schnappte sich die Kekse, reichte sie an Michelle weiter und durchsuchte das Handschuhfach. »Nichts, das uns helfen würde«, murmelte sie.
    »Sie sind wütend«, stellte Michelle weinerlich fest, was Brynn allmählich nervte. »Es tut mir leid. Ich hab doch gesagt, dass es mir leidtut.«
    »Schon gut. Aber wir müssen weg. Und zwar schnell. Die Männer kommen her.« Sie reichte Michelle das kleinere Paar Stiefel, das sie im Haus gefunden hatte. Die Größe schien zu passen. Michelles eigene Stiefel waren modisch und elegant, mit schmalen, sieben Zentimeter hohen Absätzen - genau das Richtige für eine erfolgreiche junge Frau. Aber nutzlos, wenn man damit vor Mördern weglaufen wollte.
    Michelle starrte die dick gefütterten Schuhe an und rührte sich nicht.
    »Beeilung.«
    »Meine reichen aus.«
    »Nein, auf keinen Fall. Sie können diese Dinger nicht anbehalten.« Brynn wies auf die Designerstiefel.
    »Ich mag es nicht, die Kleidung anderer Leute zu tragen«,
wandte Michelle ein. »Das ist … eklig.« Ihre Stimme war ein hohles Flüstern.
    Vielleicht meinte sie die Kleidung von toten Leuten.
    Ein Blick in Richtung von Haus Nummer 2. Von den Männern keine Spur. Noch nicht.
    »Ich bedaure, Michelle. Ich weiß, es fällt Ihnen schwer. Aber Sie müssen. Sofort.«
    »Meine sind gut genug.«
    »Nein, das sind sie nicht. Vor allem nicht bei Ihrem verstauchten Knöchel.«
    Wieder ein Zögern. Als wäre die Frau ein verzogenes Kleinkind. Brynn packte sie fest an den Schultern. »Michelle. Die beiden können jede Minute hier sein. Wir haben keine andere Wahl.« Ihre Stimme war barsch. »Ziehen Sie endlich diese gottverdammten Stiefel an. Sofort!«
    Ein langer Moment verstrich. Michelles Unterkiefer zitterte, und ihre Augen schimmerten feucht, aber sie nahm die Wanderstiefel, lehnte sich an den Mercedes und zog sie an. Brynn lief zur Garage und fand daneben vor, was sie bereits bei ihrer Ankunft gesehen hatte: ein Kanu unter einer Plane. Sie hob es an. Das Fiberglasboot wog nicht mehr als zwanzig Kilo.
    Obwohl sie knapp zweihundert Meter vom Ufer trennten, verlief in nur etwa zehn Metern Entfernung vom Haus ein Bach in ziemlich gerader Linie zum See.
    In der Garage fand Brynn Schwimmwesten und Paddel.
    Michelle starrte mit verkniffener Miene nach unten auf die Stiefel ihrer Freundin. Sie wirkte wie eine reiche Kundin, der man minderwertiges Schuhwerk angedreht hatte und die sich nun beim Geschäftsführer beschweren wollte.
    »Kommen Sie her, und fassen Sie mit an«, rief Brynn.
    Michelle schaute besorgt zurück zu dem Haus am Lake View Drive Nummer 2, schob sich die Kekse in die Tasche und eilte zu dem Kanu. Die beiden Frauen zogen es zu dem Bach. Michelle stieg mit ihrem provisorischen Gehstock ein, und
Brynn reichte ihr den Speer, die Paddel und die Schwimmwesten.
    Nach einem letzten Blick auf den sumpfigen Wald, durch den die Killer in diesem Moment mit Sicherheit angerannt kamen, stieg auch Brynn in das Boot und stieß es ab in den Wasserlauf, eine dunkle Vene, die ein finsteres Herz speiste.

21
    Die Männer liefen durch die Nacht und atmeten tief die kalte, feuchte Luft ein, die so durchdringend nach faulenden Blättern roch.
    Als die Hupe ertönte, hatte Hart sofort begriffen, dass die Frauen nicht wie gedacht in Richtung der Landstraße geflohen waren, sondern zurück zum Haus der Feldmans. Wahrscheinlich hatten sie den Mercedes

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