Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind
Blödsinn.«
»Also, wer ist in …« Sie verstummte jäh, denn eine Hand packte sie von hinten am Kragen und riss sie zurück. Brynn verlor das Gleichgewicht und stolperte. Eine massige Frau mit glattem Haar und wütendem Blick trat vor sie und hieb ihr einen Knüppel in den Bauch. Brynn sackte auf die Knie und übergab sich. Das Gewehr fiel zu Boden, und die Frau nahm es an sich.
»Scheiße, wer ist das?«, fragte die Fremde.
Gandy trat vor, zog Brynn auf die Beine, durchsuchte sie und nahm ihr das Messer ab. Dann schlug er ihr mit der Faust ins Gesicht; die Schusswunde in ihrer Wange platzte auf. Brynn schrie, stieß Gandy von sich weg und versuchte, der Dicken das Gewehr zu entreißen. Doch der Mann wirbelte Brynn herum und nahm sie von hinten in den Schwitzkasten. »Keine Bewegung.«
Brynn gab auf und wehrte sich nicht mehr. Sobald er seinen Griff lockerte, trat sie ihm jedoch mit Wucht auf den Fuß, und er schrie auf. »Du miese Fotze!«
Die Frau richtete das Gewehr auf sie. »Jetzt reicht’s, Schätzchen«, knurrte sie.
Brynn sah ihr in die stechenden Augen.
»Bei dir alles in Ordnung?«, wandte die Frau sich an Gandy.
»Sehe ich etwa so aus?«, gab er barsch zurück. Er spähte den Pfad hinauf. »Da war noch eine. Sie ist geflohen.«
»Wer sind die? Gehören die zu Fletcher?«
Er packte Brynn am Kragen und den Haaren. »Wie hast du es bemerkt? Verdammt, wie hast du es bemerkt?«
Sie verriet ihm nicht, dass ihr in der feuchten Nachtluft der charakteristische Geruch kochenden Metamphetamins - Propan, Chlor und Ammoniak - in die Nase gestiegen war.
Das Wohnmobil war eine rollende Drogenküche.
»Lass uns reingehen«, sagte die Frau und schaute sich um. »Wir müssen Rudy Bescheid sagen. Er wird nicht glücklich sein.«
Gandy zerrte Brynn den Pfad entlang. »Wenn du schreist oder das Maul aufmachst, bist du tot«, drohte er wütend.
» Sie sind es doch, der hier schreit«, entschlüpfte es ihr unwillkürlich. Was ihr einen weiteren Faustschlag ins Gesicht einbrachte.
48
Das Wohnmobil war dreckig. Überall standen oder lagen Teller mit Essensresten herum, dazu leere Bierdosen, schmutzige Kleidung und anderer Müll.
Und es war heiß. Auf zwei Propangasherden standen ein halbes Dutzend Metalltöpfe. Vor einer der Wände hatte man Kanister mit kalziniertem Ammoniak aufgereiht, und in der Ecke war ein Arbeitsplatz eingerichtet, an dem Lithiumbatterien zerlegt wurden. Außerdem gab es gewaltige Mengen Streichhölzer.
Gandy stieß Brynn hinein und warf ihr Messer auf einen Tisch.
»Wer ist das?«, fragte ein ausgemergelter, nervöser junger Mann mit Aerosmith-T-Shirt und schmieriger Jeans. Er hatte sich in letzter Zeit weder rasiert noch die Haare gewaschen. Seine Fingernägel waren schwarze Halbmonde. Ein kräftigerer Mann mit Overall und lockigem rotem Haar musterte Brynn von oben bis unten.
Die dicke Frau, die sie mit dem Knüppel geschlagen hatte, wandte sich an ein kleines Mädchen, das ungefähr neun oder zehn Jahre alt war und ein schäbiges T-Shirt sowie einen fleckigen Jeansrock trug. »Mach weiter. Du bist noch nicht fertig.« Das Kind - Amy, die Stieftochter, vermutete Brynn - sah die Besucherin erstaunt an und widmete sich dann wieder der Aufgabe, größere Plastiktüten mit kleineren zu füllen, die das fertige Produkt enthielten.
»Sieh dir ihr Gesicht an«, sagte der Hagere. »Es ist ganz geschwollen. Was ist hier …«
»Psst«, unterbrach ihn der Kräftige. »Was ist los?«
Gandy verzog das Gesicht. »Sie ist ein Deputy, Rudy.«
»Schwachsinn. In den Klamotten? Und sie sieht aus wie ausgekotzt. Sieh sie dir doch nur an … Sie gehört zu Fletchers Leuten.«
»Ich habe ihren Ausweis gesehen.«
Rudy nahm Brynn angewidert in Augenschein. »Tja, schöne Scheiße. Die Polizei? Ich will nicht auch dieses Versteck verlieren. Mist. Ich will einfach nicht. Nicht nach all der Mühe.«
»Es ist bereits Verstärkung unterwegs«, murmelte Brynn.
»Halt’s Maul«, sagte Gandy, wenngleich ziemlich teilnahmslos, als würde es zu anstrengend sein, sie schon wieder zu schlagen.
Der Hagere, der von Brynns Gesicht fasziniert war, kratzte sich die Speed-Pickel am Unterarm. Gandy, die Frau und Rudy schienen keine Konsumenten ihrer eigenen Ware zu sein. Was Brynn in keiner Weise beruhigte; es bedeutete, dass sie rationale Entscheidungen zum Schutz ihres Geschäfts treffen würden. Und das wiederum hieß, dass sie Brynn töten, dann Michelle verfolgen und sie ebenfalls umbringen würden. Sie
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