Nachtschwarze Küsse - Scent of Darkness (Darkness Chosen 01)
auf ihn. Sie war so leicht zu durchschauen.
Sie drückte sich an ihn, erwiderte seinen Kuss mit verhaltener Skepsis, aus Furcht, erneut in Leidenschaft zu entbrennen. Andererseits war es sündhaft gut, ihn zu spüren und zu schmecken. Irgendwann ließ er sie los und wisperte: »Ich bin gleich zurück.«
»Was?« Ann schwankte. Ihre Knie gaben unter ihr nach. »Du willst wirklich nochmal weg?«
»Warte nicht auf mich«, flüsterte er, bevor er mit dem Dickicht des Waldes verschmolz.
»Gespenstisch«, murmelte sie - aber das war hier so ziemlich alles.
Sie trat unschlüssig von einem Fuß auf den anderen. Sollte sie wirklich auf Jasha hören und sich ausziehen? Zweifellos war der Schlafsack gut isoliert, und ihr würde in dem dicken Ding sonst zu warm.
Ob er böse wurde, wenn man seine Anweisungen nicht befolgte? Jasha mochte amerikanischer Staatsbürger sein, das täuschte Ann jedoch nicht über die Tatsache hinweg, dass er das bestimmende Wesen seiner männlichen Vorfahren geerbt hatte.
Für gewöhnlich fand sie diese besserwisserische Arroganz nervig, aber jetzt - jetzt schien sie ihr überlebenswichtig.
Unwillkürlich gähnte sie, dass ihr fast die Kiefer knackten. Was soll’s, seufzte sie. Bei seiner Rückkehr würde sie sowieso schlafen. Sie zog sich bis auf seinen Slip und das schwarzseidene T-Shirt aus. Und schlummerte bereits, als er eine halbe Stunde später in seinen Schlafsack kletterte und sich an ihren Rücken kuschelte.
»Wo warst du?«, fragte sie schläfrig.
»Ich hab eine Ratte gefangen«, antwortete er.
Schlagartig war sie hellwach. »Den Varinski?«
Er lachte. »Nein. Eine echte Ratte. Schlaf jetzt. Ich zeig sie dir morgen.«
Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee weckte Ann auf. Vögel zwitscherten in den Zweigen, ansonsten war es himmlisch still. Irgendetwas kitzelte ihre Wange. Mit geschlossenen Augen rieb sie darüber - und fühlte Jashas Hand. »Ich hasse dich.«
»Hier. Ich hab Kaffee für dich gemacht.« Er klang hellwach und putzmunter.
»Ich hasse dich trotzdem. Es sei denn, du servierst mir Speck,
Eier, Toast und frische Pfannkuchen auf einem angewärmten Teller. Dann lass ich mit mir reden.« In ihrem Schlafsack war es mollig warm, und draußen wehte die kühle morgendliche Gebirgsluft. Igitt, Ann schauderte bei der Vorstellung, aus ihrem schützenden Kokon herauskriechen zu müssen.
»Wie wär’s mit einem Baker’s Breakfast Cookie?« Er raschelte mit der Verpackung an ihrem Ohr. »Willst du lieber den mit Ingwergeschmack oder Vollkorn mit Rosinen?«
»Ich will Eier mit Speck und sonst gar nichts.«
»Okay, dann nehm ich den mit Rosinen.«
»Nee, gib mir den.« Sie setzte sich ruckartig auf, nestelte an dem Reißverschluss ihres Schlafsacks, riss Jasha das Gebäckstück aus der Hand und funkelte ihn an. Er wusste genau, dass sie Ingwergewürz auf den Tod nicht ausstehen konnte.
Jasha war fix und fertig angezogen und sah unverschämt fit aus. Als er ihr den Kaffeebecher reichte, starrte Ann sekundenlang auf seine zupackenden Hände. Einen Augenblick lang stürmten die Eindrücke ihrer ersten gemeinsamen Nacht auf die junge Frau ein - die gespenstische Dunkelheit, das Gefühl, dass dieser Mann sie verfolgt und besessen hatte und von ihr erwartete, dass sie bedingungslos nach seiner Pfeife tanzte.
Er bog den Oberkörper zurück und machte ein langes Gesicht. »Puh, morgens nach dem Aufwachen bist du verdammt ungenießbar.«
Das klang kein bisschen nach dem geheimnisvollen Wolf, der in ihrer Fantasie herumspukte. Momentan jedenfalls nicht.
»Das bin ich bloß, weil ich höchstens fünf Stunden Schlaf hatte!« Und weil ihr Hintern nach der blöden Motorradtour höllisch schmerzte.
Seit jenem ersten Abend hatte er sich nicht mehr in den Wolf verwandelt. Bisweilen war sie geneigt zu glauben, sie
hätte sich das alles bloß eingebildet. Dabei wusste sie um die schockierende Wahrheit; sie hatte es mit eigenen Augen gesehen. Trotzdem konnte sie nicht wirklich begreifen, dass Jasha sich in etwas anderes verwandelte. An einem Morgen wie diesem, wo die Sonne durch die Bäume fiel und flirrende Lichtpunkte auf den Waldboden malte, wo die Vögel munter in den Zweigen sangen, hätte sie sich spielend leicht vormachen können, dass sie einen Campingausflug unternahmen, mit der festen Absicht, jede Menge Spaß zu haben.
Der Schuss war nach hinten losgegangen, so war das eben mit den guten Absichten.
Nach ein paar Schlucken Kaffee muffelte sie: »Na, mach schon, blödes
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