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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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mit keiner Regung, ob er ihre Anwesenheit bemerkt hatte.
    Â»C-conrad?«
    Er kaute auf der Lippe, als wäge er die Chancen ab, dass sie ginge, wenn er sie weiterhin nicht beachtete. Dann löste er seinen Blick von der Seite, erhob sich und musterte Alba wie ein Gedicht, das zu interpretieren war.
    Â»Sie wünschen?«
    Ihr Kopf schmerzte bereits, deshalb entschied sie sich gegen die Telepathie: »Darf ich für eine Stunde oder zwei fortgehen?« Erstaunlicherweise fiel ihr das Sprechen erheblich leichter. Ob die zurückerlangten Erinnerungen dabei eine Rolle spielten?
    Er zog eine Braue hoch. Seine dunklen Augen glänzten ein wenig amüsiert, oder zumindest kam es ihr so vor. »Zuerst nehmen Sie meine Wohnung in Beschlag, und nun fragen Sie mich, ob Sie gehen dürfen?«
    Sie holte Luft für den nächsten Kampf mit den Worten, doch ihre Kehle war weit weniger verkrampft als früher. »Ich meine: Kann ich Finn hier allein lassen, ohne befürchten zu müssen, dass Sie ihm die Lebensenergie aussaugen?«
    Â»Haben Sie sich ihn angesehen? Was gibt es da schon
auszusaugen? Sie essen bestimmt auch keine schrumpeligen Äpfel, wenn überall knackiges Obst herumläuft.«
    Â»Ich deute das als ein Ja. Rufen Sie mir ein Taxi?«
    Er seufzte schwer und steckte ein Lesezeichen ins Buch – einen trockenen Zweig einer Pflanze. »Noch irgendeinen Wunsch, Madame ?«
    Sie musste grinsen. »Nein, das wäre alles, Mylord .«
    Freudlos grinste Conrad zurück. Er trauerte um seine Tochter, durchfuhr es Alba. Die Erkenntnis berührte sie auf eine seltsame Art, und das beklemmende Gefühl ergriff noch deutlicher Besitz von ihr.
    Â 
    Das Taxi roch nach Leder und Erinnerungen an viele Parfüms, die mit den Fahrgästen irgendwann hineingeweht worden waren. Aber es war warm. Eine Tatsache, die Alba in der letzten Zeit besonders zu schätzen gelernt hatte. Der Taxifahrer, ein korpulenter Mann mit einem gepflegten Schnäuzer, maß Alba abschätzend von Kopf bis Fuß. Was man ihm kaum übelnehmen konnte, so heruntergekommen, wie sie aussah. Dennoch ließ er sie ohne weiteres ins Auto steigen, auch wenn er während der Fahrt des Öfteren im Rückspiegel nach ihr schaute.
    Vor Georgs Haus hielt der Wagen an. Alba bat den Fahrer zu warten und lief durch den Garten. Unter einem Busch entdeckte sie dabei tatsächlich das Messer ihres Opas und nahm die Waffe mit.
    Auf dem Parkplatz neben dem Eingang stand Georgs Porsche. Zum Glück war er also zu Hause.

    Sie klingelte.
    Sofort wurde die Tür geöffnet.
    Â»Georg! I-ich …«, stammelte sie und verstummte. Ihre Worte schienen von seinem versteinerten Gesicht abzuprallen wie eine Handvoll getrockneter Erbsen von einer Wand. Er spähte über ihre Schulter. Ohne einen Laut schob er sie beiseite und ging zum Taxi, wo er den Fahrer bezahlte.
    Alba floh vor der Kälte in den Flur und trat von einem Fuß auf den anderen, während sie auf Georg wartete.
    Er kehrte zurück, schloss die Tür hinter sich ab und lehnte sich mit dem Rücken dagegen.
    Â»I-ich …«, begann Alba erneut und gab es wieder auf. Nicht weil sie stotterte, sondern weil sie unter Georgs ernstem Blick auf einmal nicht wusste, was sie sagen sollte. Noch nie hatte er sie so angesehen. So anklagend. Und fremd.
    Eine Weile schwiegen sie beide, bis Georg sich von der Tür abstieß und zum Wohnzimmer ging. »Du solltest dich duschen und dir etwas Vernünftiges anziehen«, schlug er ihr im Vorbeigehen vor.
    Ja. Er hatte Recht. Das sollte sie wirklich tun, um sich endlich wie ein Mensch zu fühlen und nicht wie ein Metamorph, der mit einem Stinktier verschmelzen konnte. Also verkrümelte sie sich nach oben.
    Die heiße Dusche tat ihr gut, spülte den Dreck von ihrem Körper und ließ sie freier atmen. Alba streckte das Gesicht dem Wasser entgegen und genoss lange das Prickeln auf ihrer Haut. Nach einer gefühlten halben
Stunde musste sie sich zwingen, das Vergnügen zu beenden und aus der Duschkabine zu steigen.
    Sie trocknete sich ab, zog frische Kleidung an und verstaute ein paar Sachen in einer kleinen Tasche. In einem der Fächer versteckte sie das Messer ihres Opas und ihre Geldbörse.
    Sie fand Georg im Wohnzimmer. Er stand neben dem Fenster, den Kopf gesenkt und die Arme um den Körper geschlungen. Er wirkte verloren in diesem großen, modern und mit viel Luxus ausgestatteten

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