Nachtseelen
die einem Irrtum unterlag.
Sie warf ein weiteres Steinchen ins Wasser, so, wie es sie ihr Opa gelehrt hatte. Mit ordentlich viel Schwung, 45-Grad-Winkel. Perfekt. Es versank, hinterlieà kaum Kreise an der Oberfläche. Du glaubst nicht, wie tot sich das Fleisch eines lebendigen Wesens anfühlen kann.
Hörte sie ihn lachen? Ja, das tat er, aber so verbittert, dass es sie noch mehr deprimierte. »Und was machen wir jetzt?«
Komm mit mir zu Conrad. Wenn ihr die Metamorphe zerschlagen wollt, wird er dich brauchen.
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich dazu bereit bin.« Er hielt den Blick noch immer auf die Arkaden am anderen Ufer gerichtet. Alba lieà sich neben ihm nieder und strich über den kalten Stein.
Evelyn kehrt wieder. Sie ist stark.
»Ja, das ist sie.«
Kommst du also mit mir zurück?
»Ich weià nicht. Im Moment erscheint mir alles so sinnlos. Am liebsten würde ich einfach hierbleiben und warten, bis meine Evelyn, mi vida , wieder da ist.«
Das könnte dauern.
»Was macht mir das schon aus! Ich habe bereits über 50 Jahre auf sie gewartet.« Er biss die Zähne zusammen, wandte das Gesicht zur Seite. An der Schläfe, unter seiner blassen Haut, zeichneten sich die bläulichen Adern ab, in denen sein totes Blut durch den Körper floss.
Also wirst du deinem Clan nicht helfen? Ihr seid aber ein komischer Verein.
»Ein Verein, das trifft es gut. Zu den wichtigen Ereignissen â zusammen, und wenn es nötig ist â füreinander da, aber sonst kann jeder machen, was er will. Wir haben Conrad keine Treue geschworen oder etwas in der Art. Wer gehen will, der geht einfach. Mh, warum redest du übrigens nicht? Von dieser Telepathie müsste dir der Kopf platzen. Menschen sind nicht dafür geschaffen.«
Sie rieb ihre Hände aneinander. Ob sie das Thema, das sie so sehr beschäftigte, ansprechen sollte? Ob es taktlos war, ausgerechnet jetzt, ausgerechnet mit ihm über ihre Probleme zu sprechen? Andererseits war er ihr GroÃonkel, und Verwandte trugen nun mal das Los, mit Problemen zugeschüttet zu werden. Könntest du mir vielleicht helfen?
Er kräuselte die Stirn. »Zu reden? Nein, ich fürchte, das musst du schon selbst tun.«
Fast hätte sie gelacht. Oder zumindest geschmunzelt. Nein. Ich suche einen Metamorph. Einen Mann, sehr groÃ, trägt überwiegend schwarze Kleidung ⦠Sie konzentrierte sich auf ihre Erinnerung, lieà die Bilder auferstehen, um an mehr Details zu gelangen. Da! Sie sah, wie
der Junge â Robert? â auf den Mann schoss. Die Szene so nah an sich heranzulassen rief Ãbelkeit in ihr hervor. Sie sah die zerrissene Kleidung des Jungen, seinen von dem Greifvogel zerschundenen Körper, roch Blut, Schweià und Tierexkremente. Die Welt um sie herum schwankte, als gleite sie zurück in den dunklen, feuchten Keller. Als wäre sie nie da herausgekommen.
Aber vielleicht lag es an der Telepathie, dass ihr so schlecht wurde.
»E-er mü-müsste â¦Â« Sie kämpfte mit sich selbst, um den Satz zu Ende zu bringen, versuchte die Flut von Bildern zu bezwingen. »Er müsste eine Narbe an der linken Seite des Kopfes haben. Knapp oberhalb der Schläfe.«
»Kennst du sein Seelentier?«
»Ein Silberfuchs.« Sie konnte sich kaum hören, so schwach fühlte sie sich. »Er heiÃt Joke.«
Adriáns Gesicht verfinsterte sich, wirkte noch kantiger, als es schon war. Die blauen Augen wurden matt. Er schüttelte den Kopf, als wollte er einen Gedanken verscheuchen, gab es auf und krümmte den Rücken. »Ja, ich kenne ihn. Johannes Ney.«
Alba stockte der Atem. Der Name lieà den Peiniger aus ihren Alpträumen real werden, er war nicht mehr bloà ihr Hirngespinst, nicht mehr der Schwarze Mann. Johannes Ney. Ihr Oberarm schmerzte auf einmal, als hätte der Mann sie gerade daran hochgerissen. Ihr Kopf ruckte zur Seite, als hätte er sie im Hier und Jetzt geohrfeigt, damit sie ruhig blieb.
»D-du ⦠d-du ke-ennst ihn also?« Alba wusste nicht,
wie es ihr gelang, die Frage herauszupressen. Sie fror trotz der warmen Kleidung. Der Wind schien in jede Naht vorzustoÃen und kroch über ihre Haut, die sich mit einem SchweiÃfilm bedeckt hatte.
»Kennen ist zu viel gesagt. Ich habe ihn umgebracht.«
»Wie � Wann?«
»Wie â das willst du nicht wirklich wissen, glaub mir. Was das âºWannâ¹ angeht â es
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