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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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tut.«

    Alfred. Auch das noch. Aber wenn der Junge um 1910 geboren wurde, mochte der Name damals natürlich ein Hit gewesen sein.
    Inzwischen hatte Alfred Finn mit geübten Griffen untersucht und bereitete eine Infusion vor. »Wegen des Blutverlustes werde ich eine Volumentherapie machen, damit seine Organe mit genügend Sauerstoff versorgt werden«, erklärte er mit einem frechen Schielen zu Alba, als wolle er ihr damit zeigen, wie gut er sich auskannte. Aber vielleicht redete er auch nur dummes Zeug, das fachmännisch genug klang, um sie zu beeindrucken. »1000 ml Ringer-Lösung, 500 ml Natriumchlorid und 500 ml Glucose 0,5% intravenös, falls die Dame es genau wissen möchte.« Dann begutachtete er die Wunde. »Ah, da hat jemand mit Schusswaffen gespielt. Das kriegen wir hin.«
    Er bereitete auf dem Beistelltisch die Utensilien vor. Alba ließ ihn gewähren, auch wenn sie jede seiner Bewegungen genau beobachtete. Zugegeben, eine etwas sinnlose Tätigkeit, denn sie würde es eh nicht erkennen können, sollte er etwas Falsches tun.
    Alfred machte es sich auf dem Boden gemütlich und widmete sich der Wunde. Dabei gab er ein äußerst skurriles Bild ab, es fehlte nur noch, dass der Junge ein Lied summte.
    Â»Das wäre erledigt«, teilte er nach einer Weile mit. »Unser Patient wird ein Weilchen schlafen, aber in ein paar Tagen ist er wie neu. Also keine Bange, mein Zuckerschnäuzchen.«

    Alba suchte Conrads Blick.
    Â»Habe ich doch gesagt«, erwiderte der Nachzehrer auf seine leise Art.
    Der Junge packte die Sachen zusammen. »Ich bin fertig. Und, um es noch einmal klarzustellen, ich habe es nicht gern gemacht.«
    Â»Ich werde es Ihnen entsprechend vergelten«, versprach Conrad.
    Der Typ verzog sich gleich aus der Wohnung, als säße ihm der Teufel im Nacken. Alba ließ sich vor dem Sofa nieder und berührte Finns Hand.
    Es wird dir bald wieder gutgehen, versprach sie. Du wirst mir nicht einfach so sterben.
    Sie wusste nicht, wie lange sie so auf dem Boden ausgeharrt hatte. Als sie sich umdrehte, um Conrad zu danken, war der Nachzehrer weg. Er war verschwunden, einfach so, ohne ein Wort.
    In einem Schrank fand Alba Handtücher und knüllte sie zu einem provisorischen Kissen zusammen. Die Nacht verbrachte sie auf dem Boden neben der Couch. Ab und zu fiel sie in einen traumlosen Schlaf, doch die Angst um Finn riss sie jedes Mal zurück. Dann lag sie stundenlang wach, wälzte sich hin und her auf den Holzdielen und starrte an die Decke. Erst zum Morgen hin schlummerte sie ein.
    Als sie aufwachte, wusste sie nicht, wie spät es war und ob sie wirklich geschlafen hatte. Ihr Körper schien ein einziger blauer Fleck zu sein, ihr Rücken schmerzte wie nach einer Schicht irgendwo in den tiefsten Stollen.
In ihrem Hals kratzte es, vermutlich bekam sie eine Erkältung.
    Alba beugte sich über Finn und musterte sein blasses Gesicht. Er schlief noch. Der Rotmilan saß aufgeplustert auf dem Sessel und ruhte.
    Hoffentlich geht es den beiden gut, dachte sie mit Wehmut. Anderen, weit beunruhigerenden Gedanken, durfte sie erst gar nicht erlauben, in ihrem Kopf aufzutauchen. Sonst würde sie sie nie mehr loswerden und vor Sorge verrückt werden.
    Wie eine alte Frau schlurfte sie zum Fenster und spähte zwischen den Gardinen hinaus. Eine graue Wolkendecke hing über der Stadt. Graue Menschen eilten die graue Straße entlang, in ihren eigenen Trott versunken. Wenigstens regnete es nicht.
    Alba überlegte. Sie benötigte ihre Kleidung, um nicht mit nackten Füßen und in einem schmutzigen Kleid herumzulaufen. Vielleicht auch Geld und das Messer. Ja, das Messer ihres Opas sollte sie auf jeden Fall holen, es war doch die einzige Waffe, die sie besaß. Und eine Waffe brauchte sie, dessen war sie sich sicher. Denn die letzte Schlacht war längst noch nicht geschlagen. Auch wenn sie bezweifelte, im Kampf gegen die Metamorphe wirklich etwas Sinnvolles leisten zu können.
    Aber Finn hier allein lassen?
    Sie haderte mit sich selbst, entschied jedoch, die Sachen auf jeden Fall zu holen.
    Alba fand Conrad unten im Blumenladen. Er saß in einem Schaukelstuhl unter einer Palme, die Füße auf
einem Hocker hochgelegt, und las in einem Gedichtbuch in englischer Sprache. Ob das Geschäft bereits offen war, ließ sich mit der kaputten Tür schwer beurteilen.
    Alba blieb vor ihm stehen, doch er hob nicht den Kopf und zeigte

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