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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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einmal nachzuschauen, ob er noch atmete.
    Kennen Sie viele Metamorphe? , fragte sie, um sich abzulenken.
    Â»Ich habe schon viele von ihnen umgebracht, falls Sie das wissen wollen.«
    Nein, wollte sie nicht.

    Ich suche nach einem Metamorph-Mann. Groß und kräftig gebaut, überwiegend schwarze Kleidung, ein Silberfuchs als Seelentier. Kennen Sie ihn? Ich muss ihn finden.
    Â»Reicht Ihnen einer nicht? Diese Frage sollte Ihr Freund viel besser beantworten können.«
    Im Moment kann er gar nichts! Auf keinen Fall wollte sie andeuten, Finn wisse zu wenig über die Gemeinde. Haben Sie nun von so einem Mann schon einmal gehört oder nicht?
    Conrad faltete die Hände und tippte sich mit den Zeigefingern an die Nase. Seine Stirn kräuselte sich. »Hmmm, nein. Adrián ist eher derjenige, der Ihnen helfen könnte. Er kennt so gut wie alle Biester. Und die kennen ihn.«
    Adrián ist fort. Sie haben selbst gehört, er kommt nicht wieder.
    Â»Ach was. Wenn Adrián wütet, muss man sich keinen Kopf darum machen. Er ist wie ein Orkan – er tobt und verarbeitet alles um sich herum zu Kleinholz, beruhigt sich aber genauso schnell auch wieder. Sollte er auf etwas gelassen und besonnen reagieren, dann müssen Sie ihn fürchten.«
    Was wird er denn zu Kleinholz verarbeiten?
    Â»Im schlimmsten Fall erfahren wir davon morgen aus den Zeitungen.« Er lächelte sein undurchsichtiges Lächeln, und Alba rätselte, ob seine Worte ernst gemeint waren. Oder ob es sich dabei bloß um Nachzehrer-Humor handelte. Vielleicht aber versuchte er mit seiner distanzierten Art die eigene Trauer zu verarbeiten, sie
von sich zu weisen. »Wenn er sich abreagiert hat, fährt er sicherlich zur Alster und ist in ein, zwei Tagen wieder zurück.«
    Wo finde ich ihn genau?
    Â»Alsterarkaden. Er füttert dort gern Schwäne.«
    Alba beschloss, sich nicht mehr zu wundern. Einige Untote züchteten Blumen, die anderen fütterten Schwäne. Jedem das Seine.
    Sie hatten die Tür nicht geschlossen, so platzte der Arzt mit einem fröhlichen »Was gibt’s denn, Chef?« in die Wohnung. Alba wandte den Kopf, um den Neuankömmling zu betrachten, und wollte ihren Augen nicht trauen: Es war ein Junge, kaum vierzehn Jahre alt. Das struppige rötlich blonde Haar stand ihm in alle Richtungen. Sein Gesicht zierten so viele Sommersprossen, dass Alba seine Hautfarbe kaum erkennen konnte. Seltsam. Mieden die Nachzehrer denn nicht für gewöhnlich das Sonnenlicht?
    Â»Das hat damit nichts zu tun«, erklärte Conrad ihren allzu eindringlichen Gedanken, der ihren Kopf einfach nicht verlassen wollte. »Man sieht meistens so aus wie kurz vor der Erfüllung des Fluches.«
    Ãœber der Schulter schleppte der Junge eine Notfalltasche, die er an der Couch abstellte. Alba musterte ihn mit halbgeöffnetem Mund. Und er sollte ein Arzt sein? Das war doch eine Farce!
    Missbilligung verzog seine Gesichtszüge, als er seinen Patienten anschaute. »Das ist ein Metamorph. Den fasse ich nicht an.«

    Conrad stellte sich hinter den Jungen. »Ach. Und um ihn auszusaugen, hätten Sie damit kein Problem.«
    Alba fiel auf, dass der Untote anscheinend alle grundsätzlich siezte. Sogar diesem Knirps zollte er Respekt.
    Der Junge zog den Kopf zwischen die Schultern ein. »Das ist doch was anderes.« Seine Stimme knirschte wie Sand in einem Getriebe.
    Â»Sie kümmern sich jetzt um ihn. Haben wir uns verstanden?«
    Er schien noch kleiner zu werden. »Ja, Chef. Aber das wird mir keinen Spaß machen.«
    Â»Muss es auch nicht. Von Spaß war nie die Rede.« Conrad trat einen Schritt zurück, und die Haltung des Jungen entspannte sich. Aus der Tasche holte er ein Paar Latexhandschuhe und zog sie über.
    Nein, das war doch nicht sein Ernst! Alba sprang auf und verstellte dem Bengel den Weg. Sie konnte doch nicht Finn einem Kind anvertrauen!
    Der Junge schob sie beiseite wie ein Möbelstück. »Mein Honigtörtchen, ich bin seit 83 Jahren tot und seit 46 Jahren Mediziner. Wobei das Studium und das ganze Drumherum in meiner Lage nicht ganz leicht waren. Du glaubst gar nicht, was für ein Künstler ich in Selbstalterungsmethoden geworden bin, um das durchzuziehen.«
    Sie schaute flehend zu Conrad. Das war verrückt! Doch dieser stand wie ein Monument da, mit vor der Brust gekreuzten Armen. »Alfred ist der beste Mediziner, den ich kenne. Er weiß, was er

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