Nachtseelen
Warum musste so vieles sie voneinander trennen?
Fahr nach Hause , hatte ihr GroÃonkel geraten. Kehre nicht in diese Welt zurück. Finn würde das verstehen.
Ja, das würde er. Es wäre sogar besser für ihn, würde sie ihm fernbleiben. Doch sie konnte es nicht.
»Es tut mir leid, Finn«, flüsterte sie. »Es tut mir so leid. Bitte verzeih mir. Ich bin ein egoistisches Miststück, weil ich dich nicht loslassen kann. Dafür liebe ich dich zu sehr.«
Oder vielleicht ⦠zu wenig?
Alba wusste nicht, wie lange sie grübelnd dagesessen hatte, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Sie gab sich einen Ruck und stand auf. Jetzt würden Zweifel sie auch nicht weiterbringen. In kleinen Schritten denken, dann kommst du weiter! , mahnte sie sich. Zuerst brauchst du die neue Bluse, die in der Tasche in deinem Wagen liegt.
Alba zog ihre Jacke an und verlieà die Wohnung. Die kaputte Tür zum Blumenladen stand offen, und sie hoffte, daran vorbeihuschen zu können, ohne dass jemand sie bemerkte. Vor allem nicht Conrad. Denn es wäre ihr peinlich, ihm unter die Augen zu treten.
Die Stimme ihres GroÃonkels lieà sie allerdings innehalten. »⦠Finn die Biester warnen wird?«
Alba schlich heran und spitzte die Ohren. Anscheinend befand sich Finn nicht drinnen, wenn die Untoten so über ihn redeten. Wo war er dann?
»Das ist durchaus möglich«, erwiderte das Oberhaupt
des Clans auf seine gewohnt leise Art, und Alba musste sich besonders anstrengen, um ihn zu verstehen. »Aber nicht von Bedeutung. Wir werden nicht eine Woche lang warten. Die nächste Nacht ist Neumond, und da sind wir am stärksten. Wie gut, dass er auf diesen Mittwoch fällt. Eine bessere Zeit für einen Angriff können wir uns kaum wünschen. Somit werden die Biester keine Gelegenheit bekommen, irgendetwas zu unternehmen, auch wenn er auf die Idee kommt, sie zu warnen.«
»Dann sage ich unseren Leuten Bescheid. Morgen Abend treffen wir uns an der vereinbarten Stelle.«
»Fabelhaft.«
Ein Papierrascheln ertönte, dann ein Geräusch, als würde Adrián aufstehen, doch Conrads Stimme hielt ihn zurück: »Da ist noch etwas, bevor Sie gehen. Diese Menschenfrau, die zu Finn gehört, Sie müssen ihre Erinnerungen löschen.«
Alba presste sich eine Hand vor den Mund, um sich nicht durch einen Ausruf zu verraten. Sie traute ihren Ohren nicht, das konnte doch nicht sein Ernst sein! Was würde dann aus ihr werden, wenn sie alles verga� Wenn sie Finn verga� Diese Welt war nicht die ihre, aber inzwischen gehörte sie dazu.
»Ich verstehe nicht â¦Â«, begann Adrián und wurde unterbrochen.
»Die Regeln sind Ihnen bekannt. Menschen dürfen nichts von unserer Existenz erfahren. Und das gilt ebenso für Ihre Schwager und GroÃnichten wie für den Rest der Welt.«
Alba rang die Hände. Nein! Sag Nein! Du weiÃt, wie viel es mir bedeutet. Du weiÃt, was ich noch alles tun muss. Sag Nein!
»Ihre Erinnerungen wurden bereits zweimal manipuliert, wer weiÃ, wie sich noch ein Versuch auf ihre geistige Gesundheit auswirkt. AuÃerdem haben Evelyn und ich uns etwas von ihrer Lebensenergie genommen, zugegebenermaÃen unwillkürlich. Wenn ich erneut die Kontrolle verliere und â¦Â«
»Dieses Risiko müssen wir eingehen. Also, entweder Sie machen das oder ich.«
Adrián schwieg.
»Es ist besser so für das Mädchen«, fuhr Conrad sanfter fort. »Denken Sie an Hermann Herzhoff. Vielleicht wäre er nicht gestorben, wenn Sie ihn nicht in die ganze Sache hineingezogen hätten. Wollen Sie, dass Ihrer GroÃnichte Ãhnliches widerfährt?«
»Nein.«
Alba hatte genug gehört. Das durfte sie auf keinen Fall zulassen! Sie war doch ein lebendiges, denkendes Wesen. Und die Erinnerungen, egal wie schlimm oder gefährlich, gehörten ihr allein. Niemand sollte darüber entscheiden, welche davon sie behalten durfte und welche nicht. Darauf bedacht, keinen Lärm zu veranstalten, wich sie zurück. Hoffentlich hatten die Untoten nicht ihre Gedanken gehört, aber bis jetzt schlug keiner Alarm. Sie musste sich zwingen, langsam zu gehen, damit das Klappern ihrer Absätze sie nicht verriet. Erst nach einigen Metern erlaubte sie sich, loszurennen.
Ihr Wagen parkte zwei Häuser weiter. Noch im Laufen fischte sie den Autoschlüssel aus ihrer Jacke und schaltete die Alarmanlage aus. Wenige
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