Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
Vom Netzwerk:
wehtut! Lass es nicht zu!
    Tränen liefen ihr die Wangen herab, als sie begriff, dass der Junge ihr nicht helfen würde. Doch dann, als hätte sich in ihm eine Sprungfeder gelöst, schnellte er auf die Beine.
    Â»Lass sie los!« Er stürmte auf den Mann zu. Vor Überraschung ließ dieser von ihr ab. Sie fiel auf die Knie und krabbelte, so schnell, wie sie konnte, in eine Ecke.
    Der Riese drehte sich dem Jungen zu, der zurücktaumelte, als würde er sich erst jetzt seines Übermutes bewusst.
    Â»Es reicht!«, erscholl die raue Stimme. »Du hast es ein Mal zu weit getrieben.« Der Mann holte aus und schlug dem Jungen mit der Taschenlampe gegen den Kopf. Unter dem Hieb ging dieser zu Boden und drückte die Hand gegen das verletzte Ohr. Durch die Finger sickerte
Blut. Hass loderte in seinem Blick, als er zu seinem Peiniger aufschaute.
    Der Mann riss ihn an den Haaren auf die Beine. »Ich warne dich: Wenn ich auch nur einen Mucks von dir höre, werde ich dafür sorgen, dass du mich um Gnade anwinselst. Kapiert?«
    Der Junge presste die Lippen aufeinander. Das Blut, das seinen Hals entlangrann, glänzte schwarz im spärlichen Licht.
    Lieber Gott, rette ihn! Sie faltete die Hände und betete so, wie sie noch nie in ihrem Leben gebetet hatte. Sie wünschte, der Junge könnte sich vor dem bösen Mann verstecken oder fliehen. Ihr Blick schweifte die Treppe hoch, die sie durch ihre Tränen nur verschwommen wahrnahm. Die Tür stand offen.
    Für einen Moment rückte alles andere in weite Ferne. Das Einzige, was sie sah, war die offene Tür und das Licht, das durch sie hereinströmte. An die Wand gedrückt, erhob sie sich und machte einen vorsichtigen Schritt der Freiheit entgegen. Der Schwarze Mann bemerkte es nicht. Er brüllte dem Jungen »Kapiert?« zu und prügelte auf ihn ein, obwohl dieser sich auf den Knien vor ihm krümmte und Blut spuckte.
    Sie eilte die Treppe hoch, stolperte und kroch die restlichen Stufen empor. Hinter sich hörte sie das Keuchen des Jungen, das sie zwang, noch schneller zu werden und nicht zurückzublicken. Ihre Hände ertasteten die Schwelle.
    Was sie dahinter erblickte, war, als hätte ihr jemand
ein Messer in den Bauch gerammt und ihn von unten bis oben aufgeschlitzt. Der Raum war mit grauen Fliesen ausgelegt, die auch die Wände bedeckten. In der Mitte hingen von der Decke zwei Ketten, die in klobigen Handfesseln endeten. Weiter hinten beleuchteten Strahler einen Metalltisch, auf dem ein nackter Kinderkörper mit geöffnetem Brustkorb lag. Eine Frau, in einen blutverschmierten Overall gekleidet, mit einer Atemmaske und Plastikbrille, beugte sich darüber.
    Monster, überall Monster! Und kein Entkommen. Bei diesem Anblick starb etwas in ihr, und der Raum begann sich zu drehen. Es war, als schwebe sie frei dahin, fern jeglicher Empfindungen.
    Aus einer Ecke huschte der Silberfuchs auf sie zu. Das Fell richtete sich in seinem Nacken auf, das Tier hob die Lefzen und grollte. Aber es war ihr egal. Sie fühlte nichts mehr. Ihr ganzes Wesen war wie erfroren, und zurück blieb ein willenloser Körper, der nur noch mechanisch funktionierte.
    Der Schwarze Mann stand plötzlich neben ihr und zerrte sie hoch. »Die Kleine wollte ausbüxen? Gut gemacht, Joke«, lobte er den Fuchs, der sich wie eine Katze an seinen Beinen rieb.
    Die Monsterfrau drehte den Kopf in seine Richtung. »Ich habe es mir anders überlegt. Hol den Jungen her.«
    Â»Aber …«
    Â»Er wird uns sonst nur Probleme bereiten. Also bringen wir es schnell hinter uns.«
    Â»Meinetwegen.«

    Die Stimmen klangen wie hinter einer Wand. Sie erfasste kaum die Bedeutung der Worte und ließ sich zurück in den Keller schleifen. Um ihren Körper kümmerte sie sich nicht mehr.
    Â»Steh auf.« Der Mann riss den Jungen auf die Beine, der gegen eine Wand taumelte, um sich daran festzuhalten. »Hast du gehört? Für dich wird bald alles vorbei sein.«
    Der Junge versuchte, sich zu wehren, doch eine schallende Ohrfeige trieb ihm das letzte bisschen Widerstand aus. Der Schwarze Mann zog ihn aus dem Keller.
    Sie wusste nicht, warum sie ihm hinterhergeschlichen war. Die Tür fiel vor ihrer Nase ins Schloss, aber von ihrem Platz auf der Treppe konnte sie einen Teil des gefliesten Raumes sehen.
    Unter den Ketten blieb der Riese stehen. Er führte die Arme des Jungen nach oben und schnallte die Handfesseln um seine

Weitere Kostenlose Bücher