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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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Gelenke.
    Â»Na? Gar kein dummer Spruch?« Ein Grinsen erschien auf dem fleischigen Gesicht. Er drehte eine Runde um den Gefesselten und tätschelte die Wange seines Opfers. »Das machst du ganz brav.«
    Der Junge ballte die Fäuste, zeigte aber sonst keine Regung. Der Schwarze Mann packte den Kragen seines Hemdes und zog mit einem Ruck daran. Ratschend riss der Stoff und entblößte den schmalen Oberkörper, bei dem die Rippen unter der Haut hervorstachen.
    Der Riese holte einen Käfig, in dem ein großer Vogel kauerte, und entriegelte die Tür. Das Tier stürzte heraus.
Es kreiste unter der Decke, mal stieß es dagegen, mal prallte es gegen eine Wand. Die Bewegungen wirkten zuckend, als hätte es sich nicht unter Kontrolle. Dann sauste es mit einem Kreischen herab, die Krallen zum Angriff bereit.
    Der Junge versuchte, den Kopf mit den Armen zu schützen, soweit es ihm seine Fesseln erlaubten. Die Klauen bohrten sich in seinen Rücken, der geschwungene Schnabel hackte ihm in die Schulter.
    Sie faltete die Hände vor der Brust. Schrei nicht , flehte sie, nicht mehr zu Gott, sondern zu dem Jungen. Weine nicht. Denn sie war sich nicht sicher, all dem fernbleiben zu können, wenn sie hörte, wie er litt.
    Aber natürlich schrie er und weinte und zerrte an den Handschellen, die seine Haut um die Gelenke aufrissen, in immer schwindender Hoffnung, er könne sich doch noch befreien. Sie erlaubte dem Grauen nicht, sie zu berühren, sondern sah zu, wie sie heimlich den Gruselfilmen zugesehen hatte, die ihr Opa manchmal abends schaute.
    Der Vogel stob hoch, kreischend und taumelnd wie betrunken, um wenige Augenblicke später erneut herabzustürzen. Der Mann mit dem Fuchs und die Frau im Overall standen abseits und beobachteten das Geschehen.
    Nur das Flattern des Vogels, die Aufschreie des Jungen, der sich gegen das Tier wehrte, und das Rasseln der Ketten füllten den kalten Fliesenraum mit Leben. Doch die Abwehr hielt nicht lange an. Der Junge verlor sichtlich
an Kraft, und schon bald brach er zusammen, während der Vogel sich immer wieder auf ihn stürzte. Schlaff hing er in seinen Fesseln. Das Blut strömte über seine Haut, tropfte auf den Boden und sammelte sich zu einer Lache, in der sich das Licht der Strahler widerspiegelte.
    Â»Genug«, entschied die Frau.
    In der Hand des Schwarzen Mannes erschien eine Pistole, und ein ohrenbetäubender Knall hallte durch den Raum. Der Vogel, von einer Kugel getroffen, klatschte auf den Boden wie ein totes Stück Fleisch.
    Der Riese schlenderte zu dem Jungen und hob sein Kinn an. »Es sieht nicht so aus, als würde er es noch lange machen.« Er verzog das Gesicht, als hätte dieser Umstand ihm endgültig die Laune verdorben. Die Frau nahm die Plastikbrille ab und zog die Latexhandschuhe aus. »Das war vorauszusehen. Mit um die vierzehn ist er schlichtweg zu alt.« Sie drehte sich um, während sie die Maske von ihrem Gesicht herunterstreifte. »Räum hier auf und komm zu mir. Wir machen morgen weiter.« Es folgte eine Pause. Dann neigte sie den Kopf, als hätte sie noch etwas vergessen, was ihr gerade wieder eingefallen war, und schnurrte: »Du hast dir eine Belohnung verdient.«
    Der Mann sah ihr nach, bis sie durch die Tür verschwunden war. Er legte die Pistole auf eine Ablage und schloss die Fesseln auf. Der Junge sackte zusammen. Dumpf schlug sein Körper auf dem Boden auf.
    Sein Peiniger schritt über ihn hinweg. Leise vor sich
hin summend, rollte er den Metalltisch mit dem aufgeschlitzten Leib in eine Nische und sammelte die Instrumente auf.
    Aber der Junge lebte. Er quälte sich auf die Beine, taumelte, doch es gelang ihm, sein Gleichgewicht zu halten. Er stolperte zu der Ablage und tastete nach der Pistole. Der Fuchs bellte. Der Mann fuhr alarmiert herum und blinzelte verwirrt in den Lauf der Waffe, die auf ihn gerichtet war.
    Â»Ich dachte, du wärst fast tot«, sagte er, so wie andere »Huch, du bist ja doch noch zu Hause« stammeln.
    Der Junge schluckte schwer. »Ich werde … dich … zur Oscarverleihung einladen … und jetzt … die Schlüssel.« Seine Stimme leierte, und der Satz kam einem einzigen Zischlaut ohne Vokale gleich. Noch mehr Kraft kostete es ihn, die Waffe zu halten und auf den Beinen zu bleiben. Er schlurfte einige Schritte zurück und lehnte sich an eine Wand.
    Der Mann schnalzte verächtlich mit der Zunge. »Du wirst

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