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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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seine Stirn. Er glühte im Fieber. Sie harrte neben ihm aus, ohne sich zu rühren, und wartete, bis etwas passierte. Sie ahnte bereits, was, wollte es aber nicht wahrhaben. Sein Atem ging hechelnd, er versuchte zu schlucken, doch es gelang ihm nicht.
    Â»Hol … Hilfe«, stieß er hervor. Seine Worte gingen in den gurgelnden Geräuschen unter, die er von sich gab. »Bitte … du … musst …«
    Der Junge stockte, als das Zittern in Krämpfe überging. Um seinen Mund schäumte der Speichel.

    Er würde sterben, wie das Mädchen zuvor im Keller. Seine Qualen mitanzusehen, dazu war sie nicht imstande, denn bei seinem Anblick rührte sich etwas in ihr: Gefühle, die verbannt gehörten. Sie rappelte sich auf und rannte davon, ließ ihn auf dem kalten Asphalt zurück.

Kapitel 1
    A lba riss die Augen auf. Ihr Herz schlug in einem Stakkato, und das wilde Pochen echote in ihren Schläfen. Die Finger in das Laken gekrallt, rang sie nach Atem, doch etwas klemmte ihre Brust ein, als säße ein Sumo-Ringer auf ihr. Ein Schweißfilm bedeckte ihre Haut und ließ das Negligé an ihrem Körper kleben. Nur mit Mühe widerstand sie dem Drang, sich den Stoff vom Leib zu reißen.
    Â»Schatz, ist alles in Ordnung?«, ertönte eine schlaftrunkene Stimme. Georg rückte näher an sie heran und berührte ihre Schulter. Als schlüge ein Monster Klauen in ihr Fleisch, stieß sie einen erstickten Schrei aus und fegte seine Hand fort.
    Â»Wieder der Alptraum?« Er erwartete keine Antwort. Der einzige Grund, warum er sanft auf sie einredete, war, dass er versuchte, ihr etwas Mitgefühl entgegenzubringen. Sie bemühte sich, ihm dafür dankbar zu sein, auch wenn sein Mitgefühl das Letzte war, was sie jetzt benötigte. Aber was brauchte sie stattdessen? Sie wusste es nicht, und Georg blieb nichts anderes übrig, als stets das Falsche zu sagen, zu machen, zu denken.
    Alba vergrub ihre Hand in seinem Haar und massierte
mit ihren Fingerkuppen seine Kopfhaut. Irgendwann würde er vielleicht das Richtige treffen, und dann würde auch sie begreifen, was ihr fehlte.
    Während sie vor sich hinstarrte, wurden die Umrisse des Zimmers deutlicher. Der Schleier vor ihren Augen lichtete sich. Der Tag war angebrochen.
    Â»Geht es dir inzwischen besser?«
    Alba nickte. Ihr Atem hatte sich beruhigt, der Alptraum war abgeklungen. Sie beobachtete, wie sich durch den Gardinenspalt ein Sonnenstrahl hereinstahl. Staubpartikel tanzten in der Luft und schenkten Alba etwas von ihrer Unbeschwertheit, und ihr Körper fühlte sich bereit, weiter zu funktionieren.
    Georg drückte sich an sie und strich ihr durch die schwarzen Locken, die auf dem Kissen ausgefächert lagen. »Mein armes, stummes Mädchen. Wenn du mir bloß erzählen könntest, was dich plagt.«
    Alba rollte sich auf die Seite und drehte ihm den Rücken zu. Stumm war sie nicht. Sie redete bloß nicht. Ihr Blick fiel auf das Foto auf dem Nachttisch, das den strahlenden Georg in einem Smoking zeigte. Ein junger Gott in einem sterbenden Körper. Warum konnte sie nicht so strahlen, allen Schmerzen zum Trotz?
    Er fuhr mit dem Daumen ihre Wirbelsäule entlang. Seine Küsse tasteten sich schüchtern von ihrer Schulter zum Hals. »Es ist schrecklich, zusehen zu müssen, wie du leidest, und nichts dagegen unternehmen zu können.«
    Sie wandte sich ihm wieder zu und schlang einen
Arm um seine Taille. Es ist schon in Ordnung , bedeutete die Geste. Nur rede nicht weiter. Was verstehe ich schon von Leid? Ihre Hand fand unter das Seidenlaken, das sich an seine Hüften schmiegte, und strich über seinen Oberschenkel. Das war nur ein blöder Alptraum. Nichts im Vergleich zu dem, was dich quält. Aber über deine Leiden redest du nie.
    Seine Lippen berührten ihre Schläfe, und die Stoppeln an seinem Kinn pieksten ihre Haut. »Vielleicht erfahre ich irgendwann, welche Gespenster diesen schönen Kopf plagen. Vielleicht kommt irgendwann die Zeit, und du erzählst es mir selbst.«
    Sie verschloss seinen Mund mit einem Kuss. Wie sollte sie ihm etwas erzählen, wenn sie selbst nicht wusste, was sie Traum für Traum so sehr erschreckte. Bereits wenige Augenblicke nach dem Erwachen konnte Alba sich nur noch an wenige Bruchstücke erinnern: Sie sitzt in der Finsternis. Eine Treppe führt nach oben, und ein schwaches Licht schimmert an deren Ende. Die Dunkelheit

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