Nachtseelen
Tränen zurückzuhalten. Sie schob das Tablett zum Käfig hin. »Iss«, flüsterte sie. »Bitte, iss etwas.«
Seit gestern verweigerte das Mädchen die Nahrungsund Flüssigkeitsaufnahme. Wie lange würde diese bedauernswerte Kreatur das aushalten?
»Ich habe es für dich gebacken«, gestand Linnea, nahm ein Plätzchen und biss ein Stückchen ab. »Willst du nicht kosten? Ich habe es sogar geschafft, Salz und Zucker nicht zu verwechseln.«
Das Mädchen rührte sich nicht. Aber zumindest knurrte es nicht mehr, sobald Linnea sich an es wandte.
»Iss, Kleines. Du musst zu Kräften kommen.« Linnea stand auf und wandte sich ab. Vielleicht würde das Mädchen etwas zu sich nehmen, wenn sie nicht hinsah. Sie hoffte es.
Sie trat zu einem Steinaltar in der Mitte des Saals und stützte sich darauf. Was, wenn nicht?
Das Gewölbe schien sie zu erdrücken. Noch nie hatte sie sich so einsam und jämmerlich gefühlt.
»Es sind nur die Hormone, die Gelüste nach einem Mann, die mit mir durchgehen. In ein paar Tagen bin ich wieder die Alte«, versprach sie sich.
Ein trockener, heiÃer Wind wirbelte ihr Haar durcheinander.
»Mhh, warum so traurig?« Hände, glühend wie Kohle, legten sich auf ihre Schultern, glitten herab und umschlossen ihre Brüste.
Linnea fuhr herum und erblickte Oya. »Du hast mich erschreckt«, flüsterte sie atemlos. Ihr Herz trommelte einen wilden Rhythmus, als würden viele nackte FüÃe in einem Kriegstanz auf einen staubigen Boden einstampfen.
Die Göttin wiegte sich im Takt der Schläge. »Bitte verzeih. Aber es bekümmert mich, dich so unglücklich zu sehen.«
Linnea bemühte sich, ihrer Stimme Festigkeit zu verleihen. »Ich brauche dringend einen Mann, das ist alles. Aber das tut nicht weh und wird bald vorbei sein.« Ironie
kaschierte die Unsicherheit, aber konnte sie auch eine Göttin hinters Licht führen?
»Mein armes Mädchen«, raunte die Frau ihr ins Ohr, »hast du schon daran gedacht, dass du vielleicht gar keinen Mann brauchst?«
Linneas Mund wurde trocken. Sie hatte das Gefühl, auf einem Seil zu balancieren. Was ging hier vor? Sie bemühte sich, einen klaren Verstand zu bewahren und das Gespräch auf ein anderes Thema zu bringen. »I-ich ⦠ich habe in die Wege geleitet, was du von mir verlangt hast. Heute ist es so weit. Deine Widersacherin wird brennen.«
»Scht.« Oya legte ihr einen Finger auf die Lippen, der sie zu brandmarken schien. Nie wieder würde sie diese Berührung fortspülen können. »Wollen wir wirklich jetzt über Geschäfte reden? Entspann dich.«
Der Boden schien unter Linneas FüÃen zu schwanken. Die Gedanken entglitten ihr. Sie fühlte sich wie in Trance, während Oya ihre Schultern massierte und mit geübten Griffen die Muskelverkrampfungen löste. Es ging ihr tatsächlich besser. Mit der Verspannung schwanden auch alle ihre Sorgen.
Die Mächtige schmiegte sich an sie und knabberte an ihrem Ohrläppchen. »Was meinst du, willst du jetzt doch etwas von meiner Papaya kosten?«
Gütiger, hilf mir! Linnea warf den Kopf in den Nacken. Es kam ihr vor, als verglühe sie innerlich, und der Atem, der ihren leicht geöffneten Lippen entwich, verblasste wie gelblicher Dunst in der Kälte des Saals.
»Umarme mich«, flüsterte die Mächtige.
Was geschieht hier mit mir? , dachte Linnea. Sie hatte das Gefühl, sich in der rauchigen Stimme aufzulösen. Sie war unfähig, dagegen anzukämpfen, sie war nicht mehr sie selbst. Wie eine Fremde beobachtete sie, wie ihre Hände sich um Oyas Taille legten.
Gütiger, die Hexe war nackt! Linnea konnte nicht anders, als mit den Fingern über die samtweiche Haut auf und ab zu fahren. Jede Wölbung der Wirbelsäule zeichnete sich deutlich unter ihren Fingerkuppen ab, die Mulde an der Taille, der straffe Po.
»Gut so, mein Mädchen.«
Was mache ich da blo� , fragte sie sich am Rande, während sie die Hände in den prallen Hintern krallte.
»Du machst deine Göttin zufrieden«, kam die Antwort. »Sehr zufrieden.«
Es war verrückt. Sie stöhnte, doch kein Ton kam aus ihrer Kehle. Oya umschloss Linneas Lippen mit den ihren, als würde sie jeden Laut wie einen teuren Wein verkosten.
Nein, ich will das nicht!
Linnea kam es vor, als versinke sie in Treibsand. Oya hob sie auf die Arme und
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