Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
Vom Netzwerk:
Vorstellung, wie die entführten Kinder gerade jetzt in einem dunklen Keller ausharren mussten, zerrte an ihren Nerven. Sie musste sich ablenken, sich mit irgendetwas anderem beschäftigen, um nicht jede Sekunde daran zu denken. So begann sie, die restlichen Sachen in die Umzugskartons zu packen. Es half, zumindest für den Augenblick, wobei ihr natürlich klar war, so nicht lange durchhalten zu können.
    Der Rotmilan war bei ihr geblieben. Er saß auf einem Regal und putzte sich das Gefieder. Offensichtlich handelte es sich um einen sehr eitlen Vogel, denn sie sah ihn nichts anderes tun, als die Federn zu ordnen.

    Es klingelte an der Tür. Albas Herz pochte verräterisch, als sie Finns Stimme vernahm. Doch als dann sein Gespräch mit Evelyn folgte, schnaubte sie. Das dachte er also von ihr? Sie wäre am liebsten in den Flur gelaufen und hätte ihm ordentlich die Meinung gesagt, konnte sich aber noch im letzten Moment zügeln. Hatte sie nicht beschlossen, ihn zu ignorieren? Müsste die Meinung eines Mannes, der ihr vollkommen egal war, sie nicht kaltlassen? Was regte sie sich denn auf?
    Im Wohnzimmer erschien Evelyn. In ihrer Hand baumelte eine Tüte. »Finn hat dir etwas zu essen vorbeigebracht. Chinesisch. Magst du das?«
    Â»D-du … d-du kann… kannst …« Alba gab auf und konzentrierte sich auf ihre Gedanken, damit die Nachzehrerin diese empfangen konnte: Du kannst ihm sagen, dass das Prinzesschen keinen Hunger hat! Er kann sich sein Essen sonstwohin stecken!
    Ein Schwindelanfall befiel sie, kurze Zeit später würden die Kopfschmerzen kommen, doch sie nahm die Unannehmlichkeiten in Kauf. Es gefiel ihr, mental zu kommunizieren. Dadurch fühlte sie sich beinahe den Menschen gleichwertig, die nicht um Worte kämpfen mussten.
    Evelyn stellte die Tüte auf den Couchtisch und packte die Schachteln aus. »Du hast also gehört, was er gerade gesagt hat?« Sie spähte unter ihren rotbraunen Haarsträhnen hervor.
    Und ob! Beim Anblick des Essens meldete sich der Hunger. Oh, sie könnte ein halbes Schwein verschlingen!
Musste das sein? Auf keinen Fall wollte sie Finn ihre Abhängigkeit von ihm zeigen, diese nicht einmal sich selbst eingestehen.
    Evelyn öffnete eine Schachtel und wedelte sich mit der Hand den Duft unter die Nase. »Ente. Das riecht aber lecker!« Ihre Augen glänzten schelmisch.
    Alba stöhnte und gab auf. Sie setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und nahm die Stäbchen, an die sie sich erstmal gewöhnen musste. Georg mochte kein asiatisches Essen, deshalb hatte sie schon eine Ewigkeit lang solches Besteck nicht mehr in den Händen gehalten.
    Der Rotmilan flatterte herbei, ließ sich auf der Sofalehne nieder und bohrte abermals die Krallen in den Bezug. Neugierig reckte er den Hals.
    Â»Du bist sauer auf Finn, das verstehe ich«, sagte Evelyn. »Aber er hat dich hierhergebracht, nur weil er dich schützen wollte. Inzwischen müsstest du verstanden haben, wie heftig es hier bei uns zugeht. Du hättest niemals dazwischengeraten sollen, aber nun ist es passiert. Glaub mir, wir alle werden uns bemühen, dass du sobald wie möglich in dein normales Leben zurückkehren kannst.«
    Das ist es nicht! Ich hasse ihn, weil ich … weil ich … Na toll, jetzt stottere ich schon, wenn ich denke. Alba schob sich ein Stückchen Fleisch in den Mund und kaute. Damit verschaffte sie sich etwas Zeit.
    Der Rotmilan traute sich näher an sie heran und gierte nach ihrem Essen. Alba schmunzelte. Hast du es schon
mal mit Jagen versucht? Trotzdem reichte sie ihm einen Streifen Fleisch, den er hungrig verschlang.
    Ich hasse ihn, weil ich ihn so sehr mag … gemocht habe. Und er hat mich belogen und ausgenutzt , antwortete sie endlich.
    Â»Das denkst du also von ihm, ja?«
    Es ist doch unerheblich, was ich denke. Der Punkt ist …
    Â»Interessant, und ich habe immer geglaubt, gerade das, was man selbst denkt, sei das Wichtigste. So kann man sich irren.«
    Ich meine …
    Â»Das ist natürlich auch sehr bequem, wenn für einen gedacht wird. Gehst du immer den einfachsten Weg, statt den richtigen?«
    Lass mich doch ausreden!
    Â»Du redest ja nicht. Und das ist der Punkt. Du benutzt meine telepathische Gabe, statt selbst zu sprechen, weil das so viel einfacher ist.«
    Alba schnaubte. Diese Frau maßte sich doch nicht wirklich an, ein Urteil über sie abgeben zu können. Sie kannten

Weitere Kostenlose Bücher