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Nachtsplitter

Nachtsplitter

Titel: Nachtsplitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja von Vogel
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hinter mir.
    »Warte, Jenny!«, ruft er. »Wo willst du hin?«
    Ich lache und wirble herum. Ich fühle mich schwerelos. Als würde ich ein paar Zentimeter über dem Boden schweben. Alles ist
     irgendwie verschwommen und gleichzeitig glasklar.
    »Ich gehe schwimmen«, sage ich.
    »Schwimmen? Jetzt? Mitten in der Nacht?« Er schüttelt den Kopf. Sein Gesicht liegt im Schatten der Bäume. »Das ist doch verrückt.«
    Ich pruste los, so witzig finde ich ihn und seine plötzliche Ernsthaftigkeit. Ich kann gar nicht mehr aufhören zu lachen.
    »Lass uns wieder zurückgehen«, sagt er.
    »Nein!« Ich stampfe mit dem Fuß auf wie ein kleines Kind. »Ich will jetzt schwimmen! Und du kommst mit.«
     
    Ich sah alles so deutlich vor mir, als hätte ich es eben erst erlebt. Fast meinte ich, das Echo meines eigenen Lachens leise
     zwischen den Bäumen zu hören. Das konnte kein Traum sein, kein Produkt meiner Fantasie. Ich hatte diese Szene wirklich erlebt.
     Die Erleichterung darüber, dass mein Gedächtnis allmählich zurückzukehren schien, gab mir neue Energie. Ich würde mich von
     diesem Wald nicht verrückt machen lassen. Ich würde jetzt mein Handy suchen, wie ich es geplant hatte, und dann nach Hause
     zurückfahren.
    Ich zwängte mich zwischen zwei Fichten hindurch und gelangte auf eine Lichtung.
    Mein Herz war schneller als mein Verstand. Es raste schon los, während mein Kopf noch damit beschäftigt war, die Informationen
     zusammenzusetzen, die auf mich einstürmten. Eine von Fichten gesäumte Lichtung. Reifenspuren auf dem weichen Waldboden.
    Hier war es gewesen. Und plötzlich war alles wieder da, was ich eigentlich hatte vergessen wollen.
    Das Auto. Der heruntergekurbelte Beifahrersitz. Der muffige Schlafsack. Der Müll auf der Rückbank. Die Übelkeit, die in mir
     aufsteigt. Die Panik, die mich ergreift . . .
    Ich spürte, wie meine Beine unter mir nachgaben und mein Magen verrücktspielte. Ich sank auf alle viere und begann zu würgen,
     aber es kam nichts.
    Irgendwie schaffte ich es, wieder aufzustehen und den Reifenspuren bis zum Weg zu folgen. Hier musstedas Auto entlanggefahren sein. Wer hatte am Steuer gesessen?
    Benommen stolperte ich über den Sandweg, bis die Polizeiautos in Sicht kamen. Ich bog ins Unterholz ab und lief weiter, bis
     ich auf einen schmalen Trampelpfad stieß, der in der Nähe der Autobahnbrücke herauskam. Schnell holte ich mein Fahrrad, stieg
     auf und trat wie eine Besessene in die Pedale. Der Schweiß lief mir in Strömen über Stirn und Rücken. Erst als die Autobahnbrücke
     weit hinter mir lag und ich wieder zwischen den Feldern war, drosselte ich das Tempo.
    Eins war klar: Was auch immer letzte Nacht passiert war, ich würde es nicht so schnell vergessen können.
    Ich musste versuchen, irgendwie damit zu leben.

8
    Als ich wieder zu Hause war, kam mir meine Panikattacke im Wald total unwirklich vor. In der Küche hing immer noch der Geruch
     nach Spinatlasagne und eine dicke Fliege flog träge surrend gegen das Fenster. Die Uhr über der Küchentür tickte leise und
     gleichmäßig.
    War ich tatsächlich noch einmal auf der Lichtunggewesen? Oder hatte ich alles nur geträumt? Nein, die Reifenspuren waren Wirklichkeit gewesen. Genauso wie der säuerliche
     Geschmack in meinem Mund.
    Ich holte eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank und nahm einen großen Schluck. Mit der Flasche in der Hand ging ich
     auf die Terrasse und legte mich auf einen Liegestuhl, der direkt neben Mamas mit bunten Sommerblumen bepflanzten Tontöpfen
     stand. Ich sog den Duft der Rosen, Geranien und Margeriten ein, blinzelte träge in die Sonne und trank noch einen Schluck
     kaltes Mineralwasser, bevor ich die Flasche neben die Liege auf den Holzboden der Terrasse stellte. Ich streifte die Schuhe
     von den Füßen und streckte meine blassen Zehen der Sonne entgegen. Mir fielen die Augen zu und ich döste ein bisschen vor
     mich hin. Aber mein verlorenes Handy ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Was, wenn die Polizei meine Jacke auf dem Gelände
     fand? Mithilfe des Handys konnten sie mich bestimmt schnell identifizieren. Das kam ja heutzutage in jedem
Tatort
vor.
    Wie lange würde es dauern, bis sie mich ausfindig gemacht hatten? Einen Tag? Zwei Tage? Und würde ich als Zeugin aussagen
     müssen? Immerhin bewies die Jacke eindeutig, dass ich auf dem Festival gewesen war. Aber konnten sie mich zu einer Zeugenaussage
     zwingen? Musste ich dann zugeben, dass ich mich an die Hälfte des Abends nicht

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