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Nachtsplitter

Nachtsplitter

Titel: Nachtsplitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja von Vogel
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einen halben
     Liter Wasser und beschloss, zum Festivalgelände zu fahren und nach meiner Jacke zu suchen. Vielleicht hatte ich ja Glück und
     sie lag doch noch irgendwo herum. Auf die Jacke selbst konnte ich zur Not verzichten – auch wenn sie ein absolutes Liebhaberstück war, das ich letztes Jahr auf dem Flohmarkt erstanden hatte – , aber ohne mein Handy fühlte ich mich wie ein halber Mensch.
    Ich fuhr denselben Weg wie am Vorabend mit Pia. Aber diesmal war ich völlig allein zwischen den Feldern. Die Mittagssonne
     knallte vom Himmel und es war unerträglich heiß. Ich schwitzte in Pias Jeans und dem engen T-Shirt und ärgerte mich, dass ich mich zu Hause nicht schnell umgezogen hatte. Kein Lüftchen regte sich. Als die Autobahnbrücke
     näher kam, flimmerte der Asphalt in der Hitze. Unwillkürlich fuhr ich langsamer. Es widerstrebte mir, die Brücke zu überqueren.
     Als würde ich von einer unsichtbaren, aber sehr mächtigen Kraft abgestoßen. Schließlich stieg ich ab und schob das letzte
     Stück. Auf der Brücke war alles völlig unverändert. Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte. Kerzen, Blumen, Trauerbriefe?
     Nichts von alldem war zu sehen. Obwohl ich nicht hinschauen wollte, warf ich einenschnellen Blick nach unten. Der Unfallort war geräumt worden. Nur ein paar Glassplitter und eine dicke Beule in der Leitplanke
     zeugten noch davon, dass hier gestern ein Mensch sein Leben verloren hatte. Die Autos auf der Autobahn fuhren gleichgültig
     an der Stelle vorbei. Das Leben ging weiter.
    Nachdem ich die Brücke hinter mir gelassen hatte, stieg ich wieder aufs Rad. Ich überlegte, wo ich anfangen sollte zu suchen.
     Vielleicht bei dem Getränkestand, in dessen Nähe ich mit Jakob gestanden hatte. Oder dort, wo Pia und ich unsere Fahrräder
     abgestellt hatten.
    Doch als ich zum Festivalgelände kam, war der Schlagbaum heruntergelassen und versperrte mir den Weg. Dahinter standen mehrer
     Polizeiautos. Ich sah Polizisten in Uniform herumlaufen, offenbar suchten sie den Festivalplatz ab. Sie wurden von einem Mann
     in Zivil dirigiert, der so was wie der Chef zu sein schien.
    Mein erster Impuls war, kehrtzumachen und abzuhauen, ehe mich jemand entdecken konnte.
    Von den Bullen sollte man sich besser fernhalten.
    Vielleicht hatte ich diesen Satz heute einmal zu oft gehört.
    Aber ich unterdrückte den Fluchtreflex. Die Polizisten waren in ihre Arbeit vertieft, niemand beachtete mich. Und wenn schon,
     ich hatte schließlich nichts zu befürchten. Ich konnte im Wald spazieren gehen, so lange ich wollte.
    Trotzdem stellte ich mein Fahrrad so hinter einem Busch ab, dass es nicht sofort zu sehen war, und schlug mich leise ins Unterholz.
     Ich wollte einen Bogen um das Festivalgelände machen und hoffte, irgendwann wieder auf den Sandweg zu stoßen. Dann konnte
     ich zumindest dort nach meinem Handy suchen und würde vielleicht auch die Stelle wiederfinden, an der gestern unsere Fahrräder
     gestanden hatten.
    Nach einer Weile war von den Polizisten nichts mehr zu sehen und zu hören. Ich lief über den mit Moos bedeckten Boden, kletterte
     über umgestürzte Baumstämme und kämpfte mich zwischen dicht stehenden Büschen hindurch. Das Sonnenlicht schien zwischen den
     Bäumen hindurch und tauchte den Wald in hellgrünes Zwielicht. Die Vögel zwitscherten und irgendwo hämmerte ein Specht. Hier
     zwischen den Bäumen war es kühler als in der prallen Sonne. Ich versuchte, das mulmige Gefühl zu ignorieren, das sich in meinem
     Magen ausbreitete. Das hier war nur ein ganz normaler Wald. Nichts weiter.
    Irgendwann blieb ich stehen. Wo war der verdammte Weg? Eigentlich hätte ich längst darauf stoßen müssen. Ich drehte mich einmal
     um mich selbst, doch ich sah nichts als Bäume, Büsche und Moos. Das Grün kam mir plötzlich erdrückend vor. Das Atmen fiel
     mir schwer. Was wollte ich mit dieser Aktion eigentlich beweisen? Glaubte ich allen Ernstes, mein Handy würde hier irgendwo
     im Moos liegenwie ein vergessenes Osterei? Oder ging es um etwas anderes?
    Das Licht hatte sich verändert. Die Sonnenkringel auf dem Boden waren verschwunden und das Grün der Bäume wirkte düster. Zwischen
     den dicht stehenden Fichten lagen undurchdringliche Schatten. Ich wollte weg hier. Raus aus dem Wald. Zurück nach Hause. Aber
     ich hatte völlig die Orientierung verloren.
    Plötzlich durchzuckte mich eine Erinnerung.
     
    Ich laufe durch den Wald. Zweige schlagen mir ins Gesicht. Es riecht nach Moos. Er ist direkt

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