Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtsplitter

Nachtsplitter

Titel: Nachtsplitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja von Vogel
Vom Netzwerk:
Café aufgetaucht. Ich arbeite dort, das ist alles.«
    »Du hast unser Haus beobachtet«, sagte ich. »Ich hab dein Auto gesehen.« Als ich mich daran erinnerte, wurde mir kalt. Ob
     Jakob die ganze Nacht vor unserem Haus gestanden hatte?
    Jakob seufzte. Ich sah so etwas wie Unsicherheit in seinen Augen aufblitzen. Das ließ ihn beinahe verletzlich wirken. »Okay
     . . . du hast recht. Ich hab mir Sorgen gemacht.«
    »Sorgen?«, fragte ich verblüfft. »Um wen?«
    Jakob wich einer alten Dame mit Gehhilfe aus, die gerade aus einer Bäckerei kam. Hinter ihr schloss die Verkäuferin die Tür
     ab. »Um dich natürlich!« Jakob warf mir einen düsteren Blick zu. »Du warst Samstagnacht plötzlich verschwunden. Ich wusste
     nicht mal, ob du gut nach Hause gekommen bist.«
    Ich starrte ihn an. Er schien es ehrlich zu meinen. »Was hatte ich in deinem Auto verloren?« Da war sie wieder, die alles
     entscheidende Frage.
    »Du warst betrunken und dir wurde plötzlich schlecht«, erklärte Jakob. »Du musstest . . . na ja, du hast dich übergeben.«
     Er fuhr sich verlegen durch die Haare. Dieselbe Geste wie in meiner Erinnerung. Weil die Erinnerung wahr war?
    »Und dann?« Ich musste unbedingt mehr wissen.
    Jakob sah mich mit einem merkwürdigen Blick an. Als würde er versuchen, direkt in meinen Kopf zu blicken. »Du weißt es wirklich
     nicht mehr?«
    Ich biss mir auf die Unterlippe, bis ich Blut schmeckte. Dann gab ich mir einen Ruck. »Nein. Ich hab einen totalen Filmriss.«
     Es war schrecklich, es zugeben zu müssen, aber ich hatte keine andere Wahl. Jakob war der Einzige, der mir die Wahrheit sagen
     konnte. Der Einzige, der das schwarze Loch füllen konnte.
    Jakob blieb stehen. »Du weißt gar nichts mehr?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nur, dass wir zusammen Bier getrunken haben. Und irgendwas von einem Wald. Aber das ist ziemlich
     verschwommen.« Ich zögerte. »Wollte ich tatsächlich schwimmen gehen?«
    Halb erwartete ich, dass Jakob mich verwirrt ansehen würde, ohne einen Funken des Verstehens. Doch stattdessen grinste er.
     »Ich konnte dich nur mit Mühe davon abhalten.«
    Mir wurde heiß. Ich war auf der richtigen Spur. Meine Erinnerung war nicht verschwunden, sondern nur verschüttet. Ich konnte
     sie wieder ausgraben, wenn ich mir Mühe gab.
    »Und wer war der andere Typ, der mit uns Bier getrunken hat?«, fragte ich möglichst beiläufig. Jakob sollte auf keinen Fall
     merken, wie angespannt ich war. Er sollte mir einfach nur die Wahrheit sagen. »Ein Freund von dir?«
    Jakob verzog das Gesicht. »Max? Nein, das ist keinFreund von mir. Er jobbt auch im Eiscafé. Echt nervig, der Typ. Hält sich für supertoll, dabei redet er nur Stuss.«
    »War er auf dem Weg zum See mit dabei?«, fragte ich weiter.
    Jakob schüttelte den Kopf. »Nein, wir haben ihn abgehängt, als er pinkeln musste.«
    Ich ließ Jakob nicht aus den Augen. War das die Wahrheit? Schwer zu sagen. Ich wollte ihm so gerne glauben, aber das Misstrauen
     blieb. Ihn anzusehen war wie ein Déjà-vu. Seine Gesichtszüge wirkten gleichzeitig fremd und vertraut. Hatte ich dieses Grübchen
     neben seinem Mund nicht schon einmal berührt? Und die Stirn mit den tief eingegrabenen Denkerfalten? Und die schmalen Lippen?
    »Hör mal, Jenny . . .« Jakob wirkte plötzlich nervös. Er steckte die Hände in die Hosentaschen und zog die Schultern hoch.
     »Es gibt da was, was ich dir sagen muss.«
    Mein Mund wurde trocken. Jetzt war es so weit. Die Stunde der Wahrheit. Gleich würde ich erfahren, was Samstagnacht tatsächlich
     geschehen war.
    Doch ehe Jakob weitersprechen konnte, tauchte ein Obdachloser im Rollstuhl vor uns auf. Trotz der Sommerhitze trug er eine
     dunkelblaue Wollmütze. »
Die Arche
?« Er hielt uns ein Obdachlosen-Magazin hin. Sein Gesicht war rot und aufgedunsen, und als er uns angrinste, atmete ich seine
     Alkoholfahne ein.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, danke.«
    Der Mann fuhr weiter. Sein elektrischer Rollstuhl entfernte sich leise surrend. Und in diesem Moment entdeckte ich Markus.
     Er kam aus dem
Backstage
, einer Kneipe auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Tom folgte ihm. Er klopfte Markus auf die Schulter und lachte. Ich
     erstarrte. Noch hatten die beiden uns nicht gesehen.
    Das
Backstage
war ein stadtbekannter Drogenumschlagplatz. Hier hatten Tom und Markus immer ihr Gras unter die Leute gebracht. Was zum Teufel
     hatte Markus hier zu suchen?
    »Hör mal, ich muss jetzt los«, sagte ich hektisch.
    Jakob nickte.

Weitere Kostenlose Bücher