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Nachtsplitter

Nachtsplitter

Titel: Nachtsplitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja von Vogel
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»Schon klar.« Er hatte Markus ebenfalls bemerkt.
    »Können wir uns morgen sehen?« Die Frage kam so plötzlich, dass sie mich selbst überraschte. »Dann reden wir weiter. Um fünf
     am alten Bootshaus? Das ist direkt am Fluss.«
    »Okay.« Jakob nickte mir noch einmal zu, dann drehte er sich um und ging davon.

8
    Als ich abends die Nachrichten einschaltete, hatte ich keine Ahnung, was mich erwartete. Meine Mutter war bei ihrer wöchentlichen
     Rückengymnastik, dereinzigen Freizeitbeschäftigung, die sie regelmäßig betrieb, und ich saß mit einem Käsebrot und einem Glas kalter Milch vor
     dem Fernseher.
    Der Schock traf mich völlig unvorbereitet. Ich war in Gedanken immer noch bei Jakob. Jede Silbe unseres Gesprächs hatte sich
     in mein Gedächtnis eingebrannt. Als wollte es sich dafür revanchieren, dass es mich beim letzten Mal so hinterhältig im Stich
     gelassen hatte.
    Es brachte nichts, mir länger etwas vorzumachen. Jakob machte mir Angst, aber er faszinierte mich auch. Seine dunklen Augen,
     sein Blick, der mir jedes Mal eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Und er war mir vertrauter, als er es eigentlich sein durfte.
     Ich versuchte, logisch zu denken. Zwei Dinge waren klar:
    Erstens: Irgendetwas war Samstagnacht zwischen Jakob und mir passiert.
    Zweitens: Jakob wusste, was geschehen war. Ich nicht.
    Die große Frage lautete: Was war geschehen? Und welche Rollen hatten Jakob und ich dabei gespielt? Bisher hatte ich mich immer
     als Opfer gesehen. Und wenn es ganz anders gewesen war?
    Doch dann begannen die Nachrichten und drängten alles in den Hintergrund. Natürlich ging es wieder um den Unfall. Erst wurden
     die bekannten Fakten wiederholt.
    »Inzwischen gibt es spektakuläre Neuigkeiten im Fall Autobahnbrücke«, berichtete der Sprecher nachdem kurzen Rückblick. »Vor wenigen Stunden hat die Polizei ein Phantombild veröffentlicht, das zwei Personen zeigt, die sich
     am Abend des Unfalls auf der Brücke aufgehalten haben sollen. Die Polizei bittet die beiden Personen dringend, sich als Zeugen
     zu melden, da sie möglicherweise wichtige Beobachtungen gemacht haben könnten.«
    Als das Phantombild eingeblendet wurde, fiel mir fast das Käsebrot aus der Hand. Ich saß wie erstarrt auf dem Sofa und konnte
     den Blick nicht vom Bildschirm abwenden. Schemenhaft waren zwei Menschen auf der schwarz-weißen Computer-Zeichnung zu erkennen.
     Die Gesichter waren nur angedeutet. Aber man sah ganz klar, dass es sich um einen Jungen und ein Mädchen handelte. Sie war
     einen Kopf kleiner als er, hatte schwarze, lange Haare und trug einen dunklen Rock und ein T-Shirt . Er war blond und trug Jeans.
    Man brauchte nicht viel Fantasie, um Markus zu erkennen. Und das Mädchen war ich.
    Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Wie hypnotisiert verfolgte ich den weiteren Bericht. Der leitende Polizist, Kommissar
     Lukowski, wurde eingeblendet und gab einen kurzen Kommentar ab.
    »Dieses Phantombild könnte der Durchbruch bei den Ermittlungen sein. Die beiden Personen wurden von mehreren Zeugen gesehen,
     deren Beschreibungen sich größtenteils decken. Es handelt sich um einen männlichen und einen weiblichen Jugendlichen,beide zwischen sechzehn und achtzehn Jahre alt. Wir gehen davon aus, dass sie aus der Gegend stammen und am Samstagabend das
Rock am
See
-Fes tival besucht haben. Ein Zeuge gab an, sie hätten sich gestritten. Bisher haben sich diese beiden Personen leider noch nicht bei
     uns gemeldet. Wir bitten sie dringend, dies so schnell wie möglich nachzuholen.« Er schien mich mit seinen stechenden Augen
     direkt anzusehen. »Vorerst suchen wir die beiden Personen nicht als Tatverdächtige, sondern als Zeugen. Sie können sich rund
     um die Uhr bei jeder Polizeidienststelle melden.«
    Die Worte des Kommissars hallten wie ein endloses Echo in meinem Kopf wider, während die restlichen Nachrichten an mir vorbeirauschten,
     ohne dass ich wirklich etwas davon mitbekam.
    Vorerst suchen wir die beiden Personen nicht als Tatverdächtige, sondern als Zeugen.
    Vorerst . . .
    Als es klingelte, zuckte ich zusammen. Meine Knie begannen unkontrolliert zu zittern. Mein erster Gedanke war, einfach nicht
     aufzumachen. Was, wenn mich jemand erkannt hatte? Die Nachbarn, eine Kollegin meiner Mutter oder irgendein Mitschüler? Was,
     wenn in dieser Sekunde die Polizei vor unserer Tür stand?
    Unsinn, versuchte ich mich zu beruhigen. So schnell geht das nicht. Hör auf, dich verrückt zu machen.
    Langsam stand ich auf.

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