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Nachtsplitter

Nachtsplitter

Titel: Nachtsplitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja von Vogel
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und den klebrigen Schweiß von meiner Haut gespült. Danach
     fühlte ich mich besser. Und ich hatte beschlossen, doch zum Bootshaus zu gehen.
    Jakob und ich liefen am Fluss entlang. Die Sonne schien zwischen den Bäumen hindurch und malte helle Muster auf den Weg. Das
     Wasser strömte träge durchs Flussbett, als wäre es müde von der Hitze. Im Schatten der Bäume war es jedoch angenehm kühl.
     Jakob hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und ging schweigend neben mir her. Es war kein unangenehmes Schweigen,
     trotzdem war ich nervös. Ich wusste nicht, wie ich anfangen sollte. Dabei war es eigentlich eine ganz einfache Frage.
    Haben wir am Samstag in deinem Auto miteinander geschlafen?
    Ganz einfach, wirklich. Doch die Worte kamen nicht über meine Lippen.
    »Warum seid ihr umgezogen?«, fragte ich stattdessen. »Stimmt es, dass du in deiner alten Stadt Ärger hattest?«
    Jakob sah mich an. Seine Augen schienen noch eine Spur dunkler zu werden. »Wie kommst du darauf?«
    »Pia hat so was gesagt.«
    Jakob nickte langsam. »Ihr entgeht wirklich nichts.«
    »Hat sie denn recht?«
    »Ich möchte nicht darüber reden«, sagte Jakob schroff.
    Ich zuckte zusammen. In seinen Augen war kurz etwas aufgeblitzt, das mir Angst machte. Dabei hatte ich gerade angefangen,
     mich in seiner Gegenwart sicher zu fühlen.
    »Tut mir leid«, sagte er etwas sanfter. »Aber meine Vergangenheit ist ganz allein meine Sache. Als wir hierhergezogen sind,
     habe ich mir geschworen, nur noch nach vorne zu blicken.«
    Ich schluckte. »Ist schon in Ordnung. Meine dunklen Geheimnisse erzähle ich schließlich auch nicht gleich jedem.«
    »Welche dunklen Geheimnisse meinst du?« Jakobs Blick bohrte sich in meinen. Er schien plötzlich auf der Hut zu sein.
    Ich zuckte mit den Schultern und grinste schief. »Die traurige Wahrheit ist, dass ich kein einziges dunkles Geheimnis habe«,
     gab ich zu. »Das Schlimmste, was ich jemals gemacht habe, war, eine Packung Kaugummis im Supermarkt zu klauen. Damals war
     ich elf. Und ich hatte noch Wochen später ein schlechtes Gewissen.«
    »Jeder Mensch hat dunkle Geheimnisse«, sagte Jakob. Etwas leiser setzte er hinzu: »Manche wissen nur nichts davon.«
    Warum musste er eigentlich immer in Rätselnsprechen? Es war fast unmöglich, etwas Konkretes aus ihm herauszubekommen. Dabei hätte ich so gerne etwas mehr über Jakob
     und seine Geheimnisse gewusst.
    Er zog die Hände aus den Hosentaschen. Unsere Handrücken berührten sich. Als sich seine Finger um meine schlossen, setzte
     mein Herzschlag einen Moment aus. Die Luft schien zu vibrieren, als wäre auch die Zeit stehen geblieben. Auf einmal war alles
     ganz klar und selbstverständlich. Als hätte ich Jakob schon immer gekannt. Als würden wir schon immer diesen Weg entlanglaufen.
     Als wären wir die einzigen Menschen auf der Welt.
    Endlich lösten sich die Worte aus meinem Mund. »Was ist Samstagnacht passiert? Haben wir . . . du weißt schon . . . miteinander
     geschlafen?« Ich starrte auf den Weg. Die Sonnenflecken tanzten vor meinen Augen.
    Jakob antwortete nicht sofort. Eine kleine Ewigkeit verging.
    »Nein.« Er drückte meine Hand. »Keine Sorge, es ist nichts passiert.« Schwang so etwas wie Bedauern in seiner Stimme mit?
     Oder bildete ich mir das nur ein? Und konnte ich ihm glauben?
    »Oh. Gut.« Eigentlich hätte ich wahnsinnig erleichtert sein müssen. Aber ich fühlte mich nur taub. Als wären meine Nervenenden
     plötzlich abgestorben. Das Einzige, was ich ganz deutlich spürte, war Jakobs Hand um meine. Die Wärme seiner Finger.Sein fester Griff, der mich hielt. »Heißt das, es ist gar nichts gewesen?«
    »Nun ja, nicht ganz.« Ich hörte das Lächeln in seinen Worten. »Wir haben uns geküsst.«
    »Ehrlich?« Ich hob den Kopf und sah Jakob an. Sein Gesichtsausdruck war mal wieder unergründlich. Ich versuchte mir vorzustellen,
     wie sich unsere Lippen berührten. Es gelang mir nicht. »Ich kann mich nicht erinnern. Nicht mal ansatzweise. Es ist alles
     weg.«
    »Wirklich schade. Da hast du was verpasst.« Jakob blieb stehen. »Soll ich deinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen?«
    Wir standen so dicht voreinander, dass ich seinen Atem auf meinem Gesicht spüren konnte. Ich ertrank in seinen dunklen Augen.
     Als wir uns küssten, versank alles um uns herum. Die Bäume, der Fluss, die Sonnenflecken auf dem Boden, meine letzten Zweifel
     an Jakobs Glaubwürdigkeit. Es gab nur noch ihn und mich. Alles andere war unwichtig.
    Viel

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