Nachtsplitter
Umhängetasche, die ich am Samstagnachmittag spottbillig auf dem
Flohmarkt erstanden hatte.
Dann hörten wir
Die drei???, bis es Zeit fürs Abendessen war.
2
Als ich aus dem Krankenhaus kam, wurde es bereits dunkel. Ich war viel länger bei Lena geblieben, als ich vorgehabt hatte.
Ich hatte ihr beim Abendessen Gesellschaft geleistet und danach Mau-Mau mit ihr gespielt. Sie gewann eine Runde nach der anderen.Und jedes Mal, wenn ich gehen wollte, hatte sie angefangen zu jammern.
»Nur noch eine Runde, Jenny. Bitte!«
Schließlich hatte ich mich mit dem Versprechen verabschiedet, morgen Nachmittag wiederzukommen. Es überraschte mich selbst,
wie sehr mir Lena mittlerweile ans Herz gewachsen war.
Vor dem Krankenhaus standen zwei Männer in Bademänteln und Schlappen und rauchten. Die Sonne war schon untergegangen und am
Himmel leuchteten die ersten Sterne auf. Ein paar Schleierwolken zogen über den Dächern der Häuser entlang. Es war immer noch
warm.
Ich ging zu meinem Fahrrad, das ich weiter hinten an einem Laternenpfahl angeschlossen hatte. Direkt neben der Hecke, die
das Krankenhausgelände von der Straße abschirmt. Als ich in der Hosentasche nach meinem Schlüssel kramte, sprang das Licht
der Laterne flackernd an.
In diesem Moment sah ich die Gestalt, die sich aus dem Schatten der Hecke löste.
Jakob.
Mit zwei Schritten war er bei mir. Ich ließ den Fahrradschlüssel fallen und starrte ihn an. In seinen dunklen Augen lag so
viel Wut, dass ich zurückwich. Ich warf einen Blick zum Krankenhauseingang hinüber, doch die beiden Männer waren verschwunden.
Wir waren allein.
»Was willst du?« Mein Herz raste und ich versuchte,die Panik in den Griff zu bekommen, die in mir aufstieg.
Es ist doch nur Jakob. Er wird dir nichts tun.
»Mit dir reden.« Jakobs Lippen waren zwei schmale Striche. So wütend hatte ich ihn noch nie gesehen. Unwillkürlich machte
ich noch einen Schritt zurück. »Was soll das?«, fragte Jakob. »Hast du etwa Angst vor mir?« Als ich schwieg, schüttelte er
den Kopf. »Das darf doch alles nicht wahr sein!« Er schlug mit der flachen Hand gegen den Laternenpfahl neben mir und ich
zuckte zusammen. Der Knall dröhnte in meinen Ohren.
»Lass das«, flüsterte ich. »Lass mich einfach in Ruhe, okay?«
Jakob kam ganz nah an mich heran. Ich gefror zu Eis. Ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht, als er leise sagte: »Du weißt
gar nichts über mich, verstehst du? Überhaupt nichts!«
Ich schluckte. »Ich hab einen Zeitungsartikel im Internet gefunden. Über die Sache mit dem Mädchen in Rosenheim.«
»Und?« Er sah mich herausfordernd an. »Hältst du mich jetzt für einen Vergewaltiger?«
»Warum warst du nicht in der Schule?«, fragte ich zurück.
»Was glaubst du wohl?« Jakobs Stimme klang hart. »Meinst du, ich hab Lust, mir das dumme Gequatsche anzuhören? Das ganze Gerede,
die verstohlenen Blicke der anderen, sobald ich mich umdrehe – glaubst du, das macht mir Spaß? Ich hab das alles schon einmal erlebt. Jetzt geht es wieder von vorne los und das ist deine
Schuld, Jenny.« Er packte mich am Arm. »Warum hast du mir nicht einfach vertraut?«
Ich riss mich los. »Wie soll ich jemandem vertrauen, der mir nicht die Wahrheit sagt? Ich will endlich wissen, was Samstagnacht
wirklich passiert ist!«
Jakob schüttelte langsam den Kopf. »Glaub mir, Jenny, das möchtest du nicht wissen.« Er sah plötzlich müde aus. »Du hattest
recht. Es ist wirklich das Beste, wenn wir uns nicht mehr sehen.«
Ehe ich noch etwas sagen konnte, war er wie ein lautloser Schatten in der Dunkelheit verschwunden.
Zwei Wochen später
Samstag
1
»Mach schon auf!«, drängte Pia.
Ich nahm das Päckchen, das sie mir hinhielt. Es war in silbern glänzendes Papier eingeschlagen und mit einer dunkelblauen
Schleife versehen. Ein Dutzend Augenpaare sah mir beim Auspacken zu.
Pia hatte zu meinem Geburtstag eine Grillparty am Blauen See organisiert und dazu die halbe Klasse eingeladen. Wir saßen am
Lagerfeuer, während die Sonne langsam hinter den Bäumen unterging. Der Sand war noch warm, doch vom See stieg bereits kühlere
Luft auf. Mücken schwirrten über die Wasseroberfläche und tanzten zwischen federleichten Nebelschwaden. Es sollte der letzte
Sommerabend werden, ab morgen waren sinkende Temperaturen und Regen angesagt. Der Herbst kündigte sich an.
Ich löste die Schleife und schlug das Papier zur Seite. »Ein T-Shirt !« Ich faltete es auseinander
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