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Nachtsplitter

Nachtsplitter

Titel: Nachtsplitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja von Vogel
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»Lara redet viel, wenn der Tag lang ist.«
    »Genau.« Pia lächelte sanft. »Da ist bestimmt nichts dran.«

3
    Die Sache ließ mich nicht mehr los. Ich versuchte, nicht darüber nachzudenken. Schließlich ging es mich überhaupt nichts an,
     was in Jakobs Vergangenheit passiert war. Andererseits irgendwie doch. Immerhin war ich gerade dabei, mich in ihn zu verlieben.
     Hatte ich nicht ein Recht darauf, zu erfahren, worauf ich mich einließ?
    Abends hielt ich es nicht mehr aus. Ich fuhr meinen Computer hoch und gab Jakobs Namen in die Suchmaschine ein. Meine Finger
     flogen über die Tasten. Ich wusste, dass ich es schnell erledigen musste. Wenn ich länger darüber nachdachte, würde ich vielleicht
     doch noch einen Rückzieher machen.
    Ich klickte auf › Suchen ‹ . Es dauerte nur Bruchteile von Sekunden, bis die Ergebnisse erschienen. Es waren viele und die meisten brachten mich überhaupt
     nicht weiter. Offenbar gab es einen Wissenschaftlermit Jakobs Namen, denn es erschienen mehrere Uni-Seiten, Fachzeitschriften und naturwissenschaftliche Aufsätze, deren Titel
     reines Chinesisch für mich waren. Außerdem die üblichen
Stay Friends -
und Schulfreunde-Seiten, die bei jedem Namen auftauchen.
    Ich scrollte weiter nach unten und klickte einen Link an. Bingo! Ein großformatiges Klassenfoto erschien auf dem Bildschirm.
     Die Klasse 8c der Friedensschule in Rosenheim. Unter dem Bild standen die Namen der Schüler. Jakob stand ganz rechts in der
     hintersten Reihe. Ich erkannte ihn sofort, obwohl seine Haare länger waren und er ein ziemlich peinliches Holzfällerhemd trug.
     Er hatte die Hände lässig in die Hosentaschen gesteckt. Sein Gesicht war offen, er lächelte. Aber seine Augen waren genauso
     dunkel wie jetzt. Als hätte er schon damals ein Geheimnis gehabt.
    Ich durchforstete die Homepage der Schule, fand aber keine weiteren Hinweise auf Jakob. Abgesehen davon, dass er Mitglied
     der Schulband war. Ich lächelte. Jakob hatte nie erwähnt, dass er ein Instrument spielte. Aber ich konnte ihn mir gut auf
     der Bühne vorstellen. Vielleicht war er ja der Sänger der Band gewesen.
    Mit einer gewissen Erleichterung verließ ich die Seite und kehrte zur Suchmaschine zurück. Jakob schien ein ganz normaler
     Schüler gewesen zu sein. Einer unter vielen. Vielleicht war an dem Gerücht um seine angebliche kriminelle Vergangenheit ja
     überhauptnichts dran. Oder es war etwas total Harmloses, das ihm aber irgendwie peinlich war. Ladendiebstahl zum Beispiel. Oder er
     hatte heimlich die Mädchen im Umkleideraum beobachtet. Obwohl ich mir Jakob als Spanner nicht so richtig vorstellen konnte.
     Andererseits hätte ich auch nicht gedacht, dass er auf Holzfällerhemden stand . . .
    Ich kam mir plötzlich albern vor. Was hatte ich eigentlich erwartet? Ein Kapitalverbrechen? Eine Familientragödie? Gewaltexzesse?
     Totaler Schwachsinn! Gut, dass Jakob nichts von meiner peinlichen Suchaktion wusste. Vielleicht sollte ich einfach direkt
     mit ihm reden, statt ihn heimlich auszuspionieren. Ich hätte wirklich zu gerne gewusst, ob er tatsächlich Sänger in der Schulband
     gewesen war . . .
    Ohne länger darüber nachzudenken, startete ich eine zweite Suchanfrage. Meine Finger waren schneller als mein schlechtes Gewissen.
     Diesmal gab ich › Rosenheimer Friedensschule ‹ und › Schulband ‹ ein. Binnen Sekunden tauchten die passenden Links auf.
    Ich sah es beinahe sofort. Drei Worte sprangen mir ins Auge:
Rosenheimer Schüler
und
Sexskandal
. Bestimmt nur ein Zufall. Das hatte sicher nichts mit Jakob zu tun. Nur um ganz sicherzugehen, klickte ich auf den Link.
     Es war die Seite eines süddeutschen Käseblatts. Mit einem Artikel, der im Januar erschienen war. Also vor sechs Monaten.
     
    SEXSKANDAL AN FRIEDENSSCHULE
    Rosenheimer Schüler soll Mädchen vergewaltigt haben
     
    Heute beginnt der Prozess gegen den 1 6-jährigen Jakob R.   Er soll eine Mitschülerin der Rosenheimer Friedensschule auf einer Party im August sexuell missbraucht haben. Das Mädchen
     gab an, Jakob R. habe sie nach einem Auftritt der Schulband in einen Nebenraum gezogen und sich dort an ihr vergangen. Beide
     Schüler standen unter erheblichem Alkoholeinfluss. An den genauen Tathergang konnte sich die Schülerin nicht mehr erinnern.
     Zeugen bestätigen aber, dass Jakob R. und sein angebliches Opfer längere Zeit in dem Nebenraum verschwunden waren. Das Mädchen
     hat sich aus Scham erst Monate später ihrer besten Freundin anvertraut, die sie

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