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Nachtsplitter

Nachtsplitter

Titel: Nachtsplitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja von Vogel
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dazu überredete, zur Polizei zu gehen. Das
     Urteil wird Ende der Woche erwartet.
     
    Ich starrte auf den Bildschirm, ohne etwas zu sehen. Die Buchstaben tanzten vor meinen Augen. Jakob sollte ein Mädchen vergewaltigt
     haben? Das war einfach unglaublich! Andererseits auch wieder nicht . . . Es passte alles irgendwie zusammen. Seine heftige
     Reaktion, als ich ihn auf seine Vergangenheit angesprochen hatte. Mir fiel wieder ein, was er damals gesagt hatte.
    Meine Vergangenheit ist ganz allein meine Sache. Als wir hierhergezogen sind, habe ich mir geschworen, nur noch nach vorne
     zu blicken.
    Kurz danach hatten wir uns geküsst. Es war so schön gewesen . . .
    War er mit seinen Eltern wegen dieser Geschichte aus Rosenheim weggegangen? Sie mussten ziemlich überstürzt umgezogen sein.
     Weil ihr Sohn ein Vergewaltiger war und sie mit dieser Schande nicht leben konnten?
    Noch ein Satz von Jakob tauchte aus meiner Erinnerung auf wie eine schwarz schillernde Seifenblase.
    Jeder Mensch hat dunkle Geheimnisse.
    War dies sein Geheimnis? Der Gedanke tat weh. Ich wollte es nicht glauben. Aber ich konnte es auch nicht mit Sicherheit ausschließen.
     Mir fiel wieder auf, wie wenig ich Jakob eigentlich kannte. Ich wusste so gut wie nichts über ihn.
    Nur, dass seine dunklen Augen mich verzaubert hatten.
    Dass seine Küsse eine echte Offenbarung gewesen waren.
    Dass wir gut miteinander reden konnten. Und noch besser miteinander schweigen.
    War das nicht genug?
    Nein, war es nicht. Was, wenn Jakob mich angelogen hatte? Wenn in seinem Auto doch mehr passiert war? Oder schon vorher im
     Wald? Wenn meine Visionen gar keine Visionen waren, sondern die Wahrheit?
    Die Wiese!
    Silbernes Mondlicht, schwankendes Gras. Nackte Haut, fliegende Haare. Sich bewegende Körper . . .
    Eine leichte Übelkeit überkam mich. Irgendetwas war auf dieser Wiese passiert, das hatte ich die ganze Zeit gespürt. Was,
     wenn Jakob mich auch abgefüllt und vergewaltigt hatte, genau wie dieses andere Mädchen?
    Unsinn! Du hast dich völlig freiwillig volllaufen lassen, Jenny.
    Trotzdem . . .
    Ich fühlte mich schmutzig. Belogen. Ausgenutzt. In diesem Moment hätte ich alles dafür gegeben, meine Erinnerung an Samstagnacht
     zurückzubekommen.
    Ich nahm mein Handy und tippte eine Nachricht.
    Ich kenne dein dunkles Geheimnis, Jakob. Ich will dich nie mehr wiedersehen!
    Ich schickte die Nachricht los. Dann löschte ich Jakobs Nummer aus meinem Adressbuch.

Mittwoch
    1
    »Kann ich's noch mal sehen?«
    »Klar.« Ich reichte Lena mein Handy und spielte das Video noch einmal ab. Sie konnte gar nicht genug davon bekommen. Dabei
     war außer Asphalt, vorbeirauschenden Autos und ein paar Reifenspuren wirklich nicht viel zu sehen.
    Vorsichtshalber hatte ich vorher meine Mutter gefragt, die daraufhin mit dem Krankenhaus-Psychologen gesprochen hatte. Er
     hatte sich den Film angeschaut und nichts dagegen gehabt, dass ich ihn Lena vorspielte.
    Ihr ging es inzwischen viel besser. Sie saß aufrecht im Bett, die langen Haare zu einem Zopf zusammengebunden. Die Schläuche
     aus ihrer Nase waren verschwunden, genauso wie ein Teil der Maschinen neben ihrem Bett. Aber sie durfte noch nicht aufstehen
     und langweilte sich mit jedem Tag mehr.
    »Ist der Junge dein Freund?« Sie starrte auf das Display, wo gerade der Wind durch Jakobs Haare fuhr.
    »Nein«, sagte ich knapp.
    »Schade.« Das Video war zu Ende und Lena betrachtete Jakobs eingefrorenes Gesicht. »Er sieht super aus. Aber auch irgendwie
     traurig.«
    »Ja. Vielleicht ist er das.«
    Seit meiner SMS hatte ich nichts mehr von Jakob gehört. Er hatte weder zurückgeschrieben noch versucht, mich anzurufen. In
     der Schule war er auch nicht mehr aufgetaucht. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Einerseits war ich erleichtert,
     weil ich ihm nicht in die Augen sehen musste. Aber war sein Abtauchen nicht auch so was wie ein Schuldeingeständnis? Was,
     wenn er mit mir tatsächlich dasselbe gemacht hatte wie mit dem Mädchen aus Rosenheim? Mir wurde übel, sobald ich daran dachte.
     Darum verdrängte ich den Gedanken schnell wieder.
    »War er an dem Abend auch auf der Autobahnbrücke?«
    Ich nickte. Ich hatte Lena von dem Festival erzählt. Und dass wir eine Weile auf der Brücke gestanden hatten.
    »Hat er den Unfall gesehen?«
    »Nein. Ich hab dir doch schon gesagt, dass wir viel früher auf der Brücke waren. Da wart ihr wahrscheinlich noch nicht mal
     losgefahren.«
    Lena seufzte. »Ich würde so gerne wissen, was

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