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Nachtsplitter

Nachtsplitter

Titel: Nachtsplitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja von Vogel
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versuchte aufzuwachen. Ich wollte diesen Traum nicht mehr träumen. Ich hatte ihn abgehakt,
     vergessen. Genau wie das schwarze Loch in meiner Erinnerung.
    Die Bäume lichteten sich, es wurde heller. Markus schob ein paar Zweige zur Seite. Dann standen wir auf der Wiese.

2
    Silbernes Mondlicht ergoss sich auf das schwankende Gras. Leises Rascheln, sonst kein Geräusch. Es hatte sich nichts verändert.
    Markus zog mich auf die Wiese. Ich stolperte, meine Beine gaben nach. Ich ließ mich ins Gras fallen. Der weiche Boden fing
     mich auf.
    »Hast du dir wehgetan?« Markus ließ sich neben mir nieder, seine Arme umfingen mich, hielten mich fest.
    »Nein. Es ist nichts . . .«
    Ich spürte seine Küsse kaum, war völlig in meinem Traum gefangen. Aber die Rollen waren vertauscht. Ich sah mich zwischen
     den Bäumen stehen, dahinter eine dunkle Gestalt. Jakob?
    Ich sah meine Hand, die einen Zweig zur Seite schob, mein Gesicht, weiß zwischen den Bäumen wie ein kleiner Mond. Meine vor
     Schreck weit aufgerissenen Augen.
    »Ich liebe dich«, murmelte Markus. Er ließ sich ins Gras sinken, zog mich auf sich. Seine Hände griffen nach meinem T-Shirt , streiften es mir über den Kopf. Er löste meinen BH, streichelte sanft meine Brüste.
    Schneeweiße Brüste, silbernes Haar. Eine Nixe ohne Gesicht.
    Plötzlich stehe ich wieder am Waldrand. Meine weit aufgerissenen Augen sehen alles. Die nacktenKörper im Gras. Die tastenden Hände. Das Gesicht der Nixe.
    Ein heiserer Schrei ertönt. Markus fährt hoch, schüttelt mich. Der Schrei verstummt. Ich bin es, die geschrien hat.
    »Was ist los?«, fragt Markus. »Jenny? Was hast du?«
    »Ich hab euch gesehen«, stoße ich hervor und rutsche von Markus' Schoß. Ich zittere am ganzen Körper. Schützend schlinge
     ich die Arme um meinen nackten Oberkörper.
    »Wen hast du gesehen?«, fragt Markus. Er ist blass geworden. Er weiß es. Aber er will es trotzdem von mir hören. Erst wenn
     ich die Worte ausspreche, werden sie Wirklichkeit.
    »Dich und Pia. Hier auf der Lichtung. Ihr habt . . . ihr habt es miteinander getrieben.« Meine Stimme zersplittert. Mir ist
     so schrecklich kalt. Markus streckt eine Hand nach mir aus, aber ich stoße sie weg. »Fass mich nicht an!«
    »Jenny! Beruhige dich doch!« Markus sieht besorgt aus. Vielleicht denkt er, ich drehe durch. Vielleicht tue ich das auch.
     Ich springe auf, greife nach meinem T-Shirt , ziehe es über den Kopf. Meine Zähne klappern immer noch. Ich habe das Gefühl, mir wird nie wieder warm werden.
    »Wie lange läuft schon was zwischen euch?« Der Satz kommt ganz von selbst, als würde ich einen Text nachsprechen. Einen Text,
     den ich bereits kenne. Vielleicht aus einem Film?
    »Es ist nicht so, wie du denkst.« Auch dieser Satz kommt mir bekannt vor. Die Szene, die wir hier gerade aufführen, ist absolut
     lächerlich. »Es ist nur ein einziges Mal passiert, Jenny. Ich war betrunken. Und frustriert. Wir hatten uns gestritten.«
    »Und deshalb musstest du gleich mit Pia schlafen?«
    »Wir haben einen riesengroßen Fehler gemacht. Es tut mir leid.« Markus steht auf. Kommt auf mich zu. »Aber es hat überhaupt
     nichts zu bedeuten. Pia bedeutet mir nichts. Ich liebe nur dich!«
    Ich sehe sein Gesicht. So vertraut. Die blauen Augen. So verzweifelt. Die Hände, die mich so oft berührt haben. Und die mich
     nie wieder berühren werden.
    »Es ist aus«, sage ich ruhig. »Endgültig.«
    Ich drehe mich um und gehe davon. Erst als ich wieder im Wald bin, werde ich schneller, fange an zu rennen. Ich reiße die
     Kette von meinem Hals. Sie landet lautlos im Unterholz.

3
    Ich renne durch den Wald. Meine Füße fliegen. Tränen strömen über mein Gesicht. Der Schmerz ist fast unerträglich. Hinter
     mir eine Stimme. »Jenny! Warte!«
    Es ist Jakob. Er erreicht mich, als ich die letzten Bäume hinter mir lasse, hält mich fest, drückt mich an sich.
    »Lass mich los!« Ich trommle mit den Fäusten gegen seine Brust, aber seine Arme sind wie ein eiserner Schraubstock.
    »Komm jetzt mit.« Seine Stimme klingt bestimmt.
    »Nein!« Ich reiße mich los, renne weiter, panisch.
    Aber ich weiß, dass Jakob mir folgt. Und dass er mich früher oder später kriegen wird.

4
    Als ich aus dem Wald trat, wehte das Lachen der anderen zu mir herüber. Ich hörte ihre Stimmen und den leisen Klang einer
     Gitarre. Sah sie um das Lagerfeuer sitzen, ihre Silhouetten dunkel gegen die Flammen. Funken flogen in den Nachthimmel. Es
     roch nach Rauch und gebratenen

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