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Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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Nachbarn! In Jakobis Apotheke hast du doch immer deine Hämorrhoiden-Salbe gekauft …«
    »Edmund …«
    »Laß mich ausreden! Diese bemitleidenswerten Männer und Frauen versuchten, den Nazis das Leben schwerzumachen, bevor stärkere Mächte den Kampf übernehmen würden. Vielleicht werden die Russen gegen die Wehrmacht nicht verlieren. Vielleicht holen sie zum Gegenschlag aus. Und vielleicht werden uns die Alliierten bald zu Hilfe kommen – möglicherweise die Amerikaner. Unser Untergrund kann die Deutschen nicht besiegen, aber er kann sie doch bei der Festigung ihrer Macht behindern, bis Hilfe eintrifft!«
    Diese schmerzliche Wahrheit versetzte den Männern einen Stich. Dolata hatte recht. Die Deutschen wurden von der Widerstandsbewegung behindert; ihre Streitkräfte wurden durch Partisanenangriffe aufgehalten oder sogar zurückgeworfen.
    »Edmund«, begann Ludwig Rutkowski, Sofias ehemaliger Polizeichef, »warum hast du uns heute nacht hierhergerufen?«
    Der kleine, kahlköpfige Mann richtete sich vor den vier sitzenden Männern auf, holte tief Atem und sagte feierlich: »Ich will ihren Kampf fortsetzen.«
    Wie von der Tarantel gestochen, sprangen Feliks Broninski, Ludwig Rutkowski und Jerzy Krasinski auf. »Das kann doch nicht dein Ernst sein!« riefen sie wie aus einem Munde. Nur ein Mann blieb scheinbar ungerührt sitzen und hörte, wie Dolata ruhig weitersprach. »Wenn die Nazis schon unsere Herren sein müssen, dann sollen sie wenigstens kein angenehmes Leben führen. Dafür können wir sorgen. Wir fünf haben die Macht und den Einfluß, zusammen mit den einfachen Bürgern einen wirksamen Untergrund hier in Sofia zu organisieren.«
    »Aber Edmund«, wandte Ludwig Rutkowski ein, »wenn man einmal von der Hinrichtung absieht, erging es uns in Sofia wegen der Fleckfieberepidemie doch nicht allzu schlecht. Seit die Quarantäne über die {265} Stadt verhängt wurde, sind nur noch wenige Soldaten hier stationiert, und Schmidt läßt sich kaum mehr blicken. Wir haben jetzt mehr als genug zu essen, weil die Deutschen uns keine Lebensmittel mehr abnehmen.«
    »Ja, und wenn die Quarantäne aufgehoben wird? Wir alle wissen, wie dringend die Nazis dieses Munitions- und Ersatzteillager benötigen. Wenn die Quarantäne fällt, wird es in Sofia mehr Deutsche geben, als wir es je für möglich gehalten hätten. Wie friedlich wird es dann wohl zugehen?«
    »Eine Fleckfieberepidemie kann lange dauern«, gab der fünfte Mann zu bedenken, der bis dahin geschwiegen hatte.
    »Ich vertraue auf die Ärzte dieser Stadt, daß sie der Krankheit so schnell wie möglich ein Ende bereiten«, entgegnete Dolata.
    »Wenn Szukalski schlau wäre«, brummte der Polizeichef Rutkowski, »dann würde er das Fleckfieber einfach weitermachen lassen, damit die Quarantäne anhält, bis der Krieg vorüber ist!«
    Jerzy Krasinski fuhr herum. »Wie kannst du nur so etwas Ungeheuerliches sagen, Ludwig! Heilige Maria, unserm eigenen Volk eine solche Krankheit zu wünschen! Deiner eigenen Familie, Himmel noch mal!«
    »Ruhig Blut, meine Herren.« Dolata hob die Hand. »Ich bin sicher, Ludwig hat es nicht so gemeint. Bitte setzt euch wieder, meine Freunde, und laßt uns vernünftig miteinander reden.«
    Während Jerzy und Ludwig sich noch immer herausfordernde Blicke zuwarfen, nahmen die vier Männer wieder Platz. In der Stunde ihres Beisammenseins hatte nur einer von ihnen seine Meinung noch nicht geäußert. Die anderen sahen ihn erwartungsvoll an.
    »Sag uns, was du denkst, Jan«, forderte Edmund Dolata ihn schließlich auf.
    Dr. Szukalski seufzte tief. »Ich weiß, daß ich mich nicht geäußert habe, meine Freunde, aber bitte glaubt nicht, daß mir die Sache nicht nahegeht. Ganz im Gegenteil. Sie lastet so schwer auf mir, daß ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.«
    »Nur ein einfaches Ja oder Nein«, entgegnete Ludwig Rutkowski entschieden. »Bist du bereit, mit uns zu kämpfen oder nicht?«
    Dolata ahnte, daß es gleich zum Streit kommen würde. Deshalb stand er auf und ging zu einem Schrank, der an einer dunklen Wand stand. {266} Er öffnete ihn und holte fünf kleine Gläser und eine Flasche hervor. Als er zurückkam, stellte er die Gläser auf dem niedrigen Tisch zwischen den Männern ab und schenkte aus der Flasche Wodka ein. »Es ist eine kalte Nacht«, murmelte er. »Und es könnte auch eine lange werden.«
    Die fünf tranken den Wodka in einem Zug hinunter, und als die Gläser wieder auf dem Tisch standen, fuhr Ludwig Rutkowski

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