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Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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Majdanek.
    Er beraubte die Todgeweihten ihrer Wertsachen und hortete sie mit der Zeit zu einem beträchtlichen Schatz an Diamanten und Gold.
     
    Der Frühling 1944 verhieß Polen endlich die erhoffte Wende. Die Rote Armee trieb die Deutschen immer weiter aus dem Land. Hitlers Streitkräfte waren dabei, den Krieg zu verlieren. In allen Städten und Dörfern Polens gingen Gerüchte um, wonach das Ende des Krieges bereits absehbar sei, und die Hoffnung, endlich dem deutschen Joch zu entrinnen, ließ nicht nur die Bewohner von Sofia neuen Lebensmut fassen.
    Jan Szukalski stand am Fenster seines Büros und schaute über die sonnengebleichten Gebäude und das junge Laub der Bäume. Dabei fiel ihm ein ähnlicher Tag vor einem Jahr ein, als er mit der deutschen Abordnung nach Slavsko hinausgefahren war. Er erinnerte sich jetzt wieder an den Schrecken, der ihn damals erfüllt hatte, und staunte über den Unterschied zwischen diesem Tag und dem vor einem Jahr.
    Heute konnte er auf die zweieinhalb Jahre seiner »Epidemie« zurückschauen und wußte, daß Sofia den Sieg davongetragen hatte.
    »Ich fahre morgen nach Krakau«, sagte er zu Maria Duszynska, die hinter ihm stand, »zu diesem Symposium über Infektionskrankhei {316} ten, von dem ich Ihnen erzählt habe. Schmidt hat mir die Reiseerlaubnis gegeben.«
    »Da bin ich aber überrascht.«
    »Ich nicht. Ich habe ihm gesagt, ich wolle mich dort nach einer Möglichkeit umhören, um die Epidemie einzudämmen.«
    »Werden Sie lange fort sein?«
    »Ich denke nicht. Nur die zwei Tage, die die Konferenz dauert. Aber ich muß irgendwie nach Sandomierz kommen, um den Zug zu nehmen. Ich weiß nicht, wie lange das dauern wird. Pfarrer Wajda kann mich bis an die Grenze des Quarantänegebiets fahren. Von dort aus kann ich zum Zug laufen.«
    Szukalski trat vom Fenster weg und lächelte Maria Duszynska an. Er fühlte sich heute ausgesprochen wohl. »Es ist erstaunlich, nicht wahr? Wenn man darüber nachdenkt, zweieinhalb Jahre Ruhe vor den Nazis.«
    Maria erwiderte sein Lächeln. Der Schmerz, den Maximilian Hartung ihr seinerzeit zugefügt hatte, war längst vergessen. Nach seiner schimpflichen Abfahrt aus Sofia hatte sie sogar gefunden, daß die Gewißheit über seine wahre Identität ihr plötzlich neue Freude am Dienst im Krankenhaus und an der Zusammenarbeit mit Szukalski bescherte. »Seien Sie aber nicht zu siegessicher, Jan. Wir können immer noch entdeckt werden.«
    »Ja, ich weiß. Aber in diesen Tagen steht nicht mehr die ganze Stadt auf dem Spiel wie noch vor einem Jahr. Die Nazis fallen immer weiter zurück. Sie sind in der Defensive. Hitler braucht jeden verfügbaren Mann an den beiden Fronten. Ich glaube nicht, daß er Menschenpotential und Artillerie dazu heranziehen würde, um eine unbedeutende Stadt auszulöschen. Nicht im Augenblick.«
    »Aber
wir
sind noch in Gefahr.«
    »Natürlich, das sind wir immer gewesen und werden es vielleicht auch immer sein. Aber davon hat sich keiner von uns abschrecken lassen. Als Partisan muß man eben mit der Gefahr leben.«
    »Das Wort gefällt Ihnen, nicht wahr? Und Sie mögen auch die Vorstellung, daß Sie ein Partisan gewesen sind.«
    »Niemand wird je wissen, wie stolz ich darauf bin, für mein Land gekämpft zu haben. Es gibt mir hier drinnen ein gutes Gefühl.« Er klopfte sich auf die Brust.
    {317} »Ist doch eigentlich seltsam. Wir werden die Erfahrungen aus unserer Schlacht nie mit jemandem teilen können. Es ist die einzige Schlacht, die zum Sieg führte, ohne daß auch nur ein einziger Schuß abgefeuert wurde.«
    »Wir haben Tausende Menschenleben gerettet, Maria, und nur darauf kommt es an.«
    Er schaute wieder aus dem Fenster auf die blühenden Blumen.
    Piotr Wajda fuhr Szukalski bis an den Rand der Quarantänezone. Am Kontrollpunkt auf der Landstraße zeigte Szukalski den diensthabenden Wachen seine Reiseerlaubnis und ließ dann geduldig die Behandlung mit DDT über sich ergehen, das die Soldaten ihm in Hose und Nacken sprühten. Auch sein kleiner Koffer wurde geöffnet und bestäubt.
    Bevor er sich auf den Weg machte, rief Szukalski Wajda zu: »Holen Sie mich übermorgen um die Mittagszeit wieder hier ab.« Dann lief er die vier Kilometer vom Kontrollpunkt bis nach Sandomierz, wo er zwei Stunden später den Zug nach Krakau bestieg.
    Krakau hatte sich verändert.
    Panzer und Artillerie waren allgegenwärtig, und auf den Straßen sah man mehr Soldaten als Zivilbevölkerung. Überall lagen Scherben herum, die vom Kampf des

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