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Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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beobachtet und abgesichert werden. Bis auf einen.«
    Die vier Gesichter blickten zu ihm auf.
    Brunek grinste. »Ich habe euch doch gesagt, daß ich einen Plan habe, wie ich mich unsichtbar mache. Ich werde aus einer Richtung kommen, die von den Deutschen nicht beobachtet wird. Ich werde mich unter dem Zug befinden.«

9
    Um sechs Uhr morgens kam Dr. Jan Szukalski im Krankenhaus an und begab sich gleich in sein Büro. Kurz entschlossen verließ er jedoch bald darauf wieder seinen Schreibtisch und ging zum Labor hinunter, um nach seinen Proben im Inkubator zu sehen. Im Labor schaltete Szukalski die Leuchtstofflampe ein, und das Licht flackerte kurz auf, bevor es beständig zu glühen begann. Sogleich öffnete er die Tür des Inkubators, nahm das Teströhrchen mit der Bouillon heraus, in der sich das Inokulum befand, und hielt es gegen das Licht. Die Flüssigkeit war recht trübe.
    »Gut«, dachte er zufrieden, »zumindest liegt bakterielles Wachstum vor. Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, daß der alte Mann nicht schlicht und einfach eine chronische Prostataentzündung hatte.«
    Vorsichtig entfernte er den Pfropfen und schnüffelte am Röhrchen. Noch niemals hatte Dr. Szukalski den schwachen Duft von Ammo {124} niak so gerne gerochen wie diesmal, denn es handelte sich um eine Substanz, die als Nebenprodukt des Proteus-Stoffwechsels
     anfiel.
    Er stellte das Rörchen wieder in den Inkubator und entnahm nun die Petri-Schale, die den Agar-Nährboden enthielt. Er hob den Deckel an und beobachtete genau die Oberfläche der gallertartigen Masse, auf der sich Bakterienkolonien genau an jenen Stellen gebildet hatten, die inokuliert worden waren. Die Bakterienkolonien sahen wie kleine weiße Perlen aus, die in der karamelfarbenen, spiegelnden Oberfläche des Nährbodens halb zu versinken schienen. Er dachte kurz an die Möglichkeit, daß es sich um Koli- oder Staphylokokkenstämme handeln könnte, und runzelte die Stirn. Dann hielt er die Schale gegen das Licht, betrachtete sie von allen Seiten und versuchte, die Reflexion der Lichtstrahlen von der Schalenoberfläche eingehend zu untersuchen.
    Die Kolonien sahen bis auf wenige Ausnahmen alle gleich aus, das Wachstum war daher vorwiegend auf eine einzige Erregerart zurückzuführen. Da sich keine Überdeckungen gebildet hatten, mußte es ein nicht schwärmender Stamm sein, und der Proteusstamm OX -19 war nicht schwärmend. Er stellte die Schale zurück in den Inkubator.
    Als Jan Szukalski nach ein paar Minuten wieder sein Büro betrat, befand sich dort bereits Hans Keppler, der auf ihn wartete.
    »Guten Morgen«, begrüßte der Arzt ihn und prüfte kurz, ob die Heizung funktionierte. Sie schien keine Wärme abzustrahlen. Keppler, der am Fenster stand, trug einen Seemannspullover, eine schwere Wolljacke und dunkle Hosen. Nervös drückte er eine Mütze in seinen Händen. Sofort fuhr er herum und fragte ungeduldig: »Werden Sie mir helfen, Herr Doktor?«
    Szukalski setzte sich langsam hin. Er stellte fest, daß Hans Keppler im faden Morgenlicht und ohne Uniform sehr verletzlich wirkte.
    »Bitte nehmen Sie Platz, Herr Rotten …« Szukalski hielt inne und räusperte sich. »Ja,
Panie
Keppler, ich werde versuchen, Ihnen zu helfen.«
    Der junge Mann starrte den Arzt an.
    »Bitte setzen Sie sich«, wiederholte Szukalski. »Nun, ich muß Ihnen aber gleich sagen, daß ich Ihnen keine Garantien geben kann. Und, wichtiger noch, ich kann gar nicht genug betonen, daß dieses, nun ja, Experiment völlig unter uns bleiben muß. Was ich mit Ihnen versu {125} chen werde, ist höchst riskant, für uns beide. Nur ein Wort davon an andere und …«
    »Ich schwöre, daß ich niemandem davon erzählen werde.«
    »Was ist mit Ihrer Familie hier in Sofia?«
    »Ich wohne bei meiner Großmutter.«
    »Sie darf nichts erfahren.«
    »Sehr wohl.«
    »Also,
Panie
Keppler, ich habe Ihnen folgendes vorzuschlagen: Ich werde den deutschen Gesundheitsbehörden einen Bericht schicken, daß Sie sehr krank sind und daß ich Fleckfieber bei Ihnen vermute.«
    »Fleckfieber! Aber wie soll …?«
    »Ich werde Ihnen eine Injektion verabreichen, die so wirkt, daß sich nach einer Woche in Ihrem Blut ein Faktor nachweisen läßt, der auch in den von den Deutschen kontrollierten Labors zu einer falsch-positiven Diagnose auf Fleckfieber führen wird. Verstehen Sie, was ich Ihnen erkläre?«
    »Ich glaube schon, Herr Doktor. Aber wie wollen Sie sie hinters Licht führen? Wird man meine Blutprobe nicht auf diese … Substanz

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