Nachtzug
sein.«
»Auf unsere alte Freundschaft dann«, sagte er und hob triumphierend seine Mütze. »Bis heute abend also! Auf Wiedersehen!«
Maria Duszynska traf etwas später im Krankenhaus ein und ging sofort zu Szukalski, der die Ellbogen auf den Schreibtisch stützte und sein Gesicht in den Händen verbarg.
»Ich habe den deutschen Jungen fortgehen sehen, als ich zur Arbeit kam«, sagte sie. »Ich nehme an, daß Sie mit ihm über Ihren Plan gesprochen haben, Fleckfieber vorzutäuschen.«
»Ich habe ihm alles erklärt, Maria, einschließlich der möglichen Folgen. Er schien es gelassen aufzunehmen. Und wenn man bedenkt, was ihm passieren würde, wenn er der Gestapo in die Hände fiele, dann glaube ich auch, daß er ganz gut wegkommt. Ich halte Hans Keppler für eine starke, mutige Persönlichkeit. Er ist kein Feigling.«
{128} »Aber Sie mögen ihn nicht.«
Szukalski staunte, daß seine Stellvertreterin eine so genaue Beobachtungsgabe besaß. »Ja, das stimmt. Merkt man es mir an?«
Sie nickte. »Es würde mich auch sehr wundern, wenn er Ihnen gefiele. Nach allem, woran er beteiligt war, mag ich ihn nämlich auch nicht. Aber wir müssen ihm helfen.«
»Verstehen Sie mich nicht falsch, Maria. Ich helfe nicht Keppler, sondern den Polen, die er in Oświęcim vielleicht wieder umbringen würde. Kommen Sie, lassen Sie uns auf Visite gehen.«
Um zehn Uhr hatten die beiden Ärzte ihre regulären Pflichten erfüllt und begaben sich ins Labor, in dem Rudolf Bruckner mit den Untersuchungen beschäftigt war, die an diesem Morgen erledigt werden mußten. Er begrüßte sie wie immer, mit undurchdringlicher, gleichgültiger Miene und setzte seine Arbeit an den Reagenzgläsern und Teströhrchen fort. Dr. Duszynska betrachtete die Schale mit dem Nährboden im Inkubator und war sofort überzeugt, daß es sich bei den dichten, runden, halbkugelförmigen Ansiedlungen am Rande um Proteus-Bakterien handelte. Szukalski nahm ihr die Schale ab und zündete den Bunsenbrenner auf dem Labortisch an. Dann nahm er einen frischen Agar-Boden aus dem Kühlschrank und legte ihn neben den Brenner auf den Tisch. Danach erhitzte er die Spitze einer dünnen Drahtschlinge, bis sie weißglühend war, und ließ sie anschließend wieder abkühlen. Damit war der Draht desinfiziert, und Szukalski öffnete die Petri-Schale mit den Bakterien und führte die Schlinge vorsichtig zu der Stelle, von der Maria und er annahmen, daß sie von Proteus-Bakterien besiedelt war. Schließlich inokulierte er die Probe mit der Schlinge auf den frischen Nährboden. Zufrieden verschloß er die Petri-Schale und stellte sie in den Inkubator.
»Das muß ja wirklich ein wichtiger Patient sein, wenn es Sie beide für ihn ins Labor verschlägt.«
Sie starrten Rudolf Bruckner an.
»Nein, er ist nicht besonders wichtig«, entgegnete Szukalski beiläufig, denn er bemerkte erst jetzt, wie unvorsichtig er und Dr. Duszynska sich verhalten hatten. »Es ist nur unser wissenschaftliches Interesse.« Schnell setzte er ein möglichst harmlos wirkendes Grinsen auf. »Sie wissen doch, wie wir Ärzte sind.«
{129} Auf Bruckners schmalem Gesicht zeigte sich keine Regung, und er fuhr mit seiner Arbeit fort.
Dr. Duszynska, die sich vor dem Laboranten bei ihrer Tätigkeit abschirmen wollte, wandte ihm den Rücken zu und machte von ihrer Bakterienprobe einen Ausstrich auf einem Objektträger, den sie durch die Flamme des Bunsenbrenners zog und auf diese Weise fixierte. Während sie beschäftigt war, trat Szukalski neben Bruckner und beobachtete kurz, woran der Laborant arbeitete. Um ihn abzulenken, verwickelte er ihn dann in ein Gespräch über den Patienten, dessen Blut er gerade analysierte.
Maria legte den Objektträger unter das Mikroskop und blickte durch das Okular, während sie das Licht und den Fokus einstellte. Als sie das Mikroskop scharf eingestellt hatte und die Mikroben deutlich zur Darstellung gelangten, war ihr die Aufregung anzusehen.
»Dr. Szukalski«, rief sie mit großer Selbstbeherrschung. »Könnten Sie bitte mal kurz schauen?«
»Aber natürlich.«
Als er durch das Mikroskop starrte und die rotgefleckten und leicht gebogenen, stäbchenförmigen Organismen entdeckte, hüpfte sein Herz vor Freude.
»Anscheinend alles, wie wir vermutet haben«, murmelte er.
Die beiden Ärzte räumten schnell die Arbeitsfläche auf, stellten dann ihre Probe wieder in den Inkubator und wünschten Bruckner noch einen guten Tag.
Als die beiden Szukalskis Büro erreichten, brachen
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