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Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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sich!«
    Brunek schaute wieder zu Antek. »Wenn wir uns auflösen«, erklärte der Hauptmann, »dann erst, nachdem wir Sofia für die Nazis zu einem heißen Pflaster gemacht haben. Wir werden ihr kostbares Depot in die Luft jagen.«
    Antek hielt dem Blick seines Vorgesetzten einen Augenblick stand, dann nickte er: »Wir werden kämpfen.«
    »Aber mit so wenigen Leuten …«, gab Moisze zu bedenken.
    »Entweder begnügen wir uns mit dem, was wir haben«, meinte Brunek, »oder wir suchen uns Hilfe.«
    »Und wo?« wollte jemand wissen.
    Der Hauptmann überlegte einen Augenblick und sagte: »Wie wäre es denn mit Sofia selbst, Moisze? Wer könnte uns dort helfen?«
    »Es hat keinen Sinn, Brunek. Edmund Dolata war unser Verbindungsmann zur Stadt. Er hatte genug Einfluß, aber jetzt wird er jede Sekunde von Schmidts Leuten beschattet. Er kann uns nicht helfen.«
    »Aber es kommt doch bestimmt jemand in Frage? Jemand, den die Leute achten und dessen Meinung ihnen wichtig ist. Vielleicht ein Priester?«
    Jetzt mischte sich Ben Jakobi in das Gespräch ein: »Ich kenne Pfarrer Wajda schon seit vielen Jahren. Er ist Pazifist, Brunek, das weiß ich. Seine einzige Sorge dürfte darin bestehen, seine Gemeinde lebend durch den Krieg zu bringen. Wenn Piotr Wajda sich überhaupt äußern würde, dann gegen bewaffneten Widerstand.«
    »Gibt es denn keine prominenten Anwälte oder Ärzte? Bürger hören oft auf den Ratschlag von …«
    »Auch Jan Szukalski wird nicht kämpfen«, versetzte Moisze. »Er ist so sehr damit beschäftigt, Leben zu retten, daß er wohl vergessen haben dürfte, was Kämpfen bedeutet. Er wird mit dem Priester einer Meinung sein und sich zum Wohl der Stadt so lange wie nötig mit den Deutschen arrangieren.«
    »Gibt es denn keinen, der zum Kampf bereit ist? Was du beschreibst, ist eine Stadt von Feiglingen!«
    »Nein, Brunek, es sind keine Feiglinge, sondern lediglich Menschen, die glauben, daß es besser ist, durch Schweigen am Leben zu bleiben {201} als durch Widerstand zu sterben. Und auch ich überlege nicht selten, mein Freund, ob nicht auch Esther und ich es dem Priester und dem Arzt gleichgetan hätten, wenn wir in Sofia hätten bleiben dürfen, anstatt uns verstecken zu müssen. Manchmal frage ich mich sogar, ob …« Moisze richtete seinen Blick auf das abgemagerte und müde Gesicht seiner Frau, deren Haut im Schein des Feuers unnatürlich bleich wirkte. »Manchmal frage ich mich, was für eine Meinung wir hätten, wenn wir noch in Sofia lebten. Vielleicht würden auch wir dann nicht kämpfen. Es scheint doch so einfach, sich mit den Deutschen abzufinden und keinen Ärger zu machen.«
    »Ärger!« entfuhr es David. »Sie haben heute drei Unschuldige gehängt, und das einzige, was dir dazu einfällt, ist Ärger?«
    »Bitte!« ging nun Brunek dazwischen, um zu schlichten. »Kein Streit unter uns! Einverstanden: Wir sind auf uns selbst gestellt, und Sofia kann uns nicht helfen.« Er musterte die Bewohner der Höhle, die sich in ihren dicken Mänteln aneinander schmiegten und dampfende Hühnerbrühe tranken, um sich warm zu halten. Auf dem eisigen Höhlenboden hockend, versuchten sie, am Lagerfeuer Behaglichkeit zu erfahren. Alle bis auf eine. Leokadja Ciechowska saß auf einem Felsen und reinigte ihr Gewehr mit einer gleichgültigen, ausdruckslosen Miene.
    »Schön«, meinte Antek. »Wenn ihr das Munitionsdepot zerstören wollt, dann werden uns auch andere Widerstandsgruppen helfen.«
    Dem stimmte Brunek zu. Dann erklärte er den anderen: »Auf unserem Weg vom Norden hierher sind wir auf andere Gruppen von unabhängigen Widerstandskämpfern gestoßen, so wie ihr. Es gibt da eine Gruppe nicht weit von hier, östlich von Sandomierz und südlich von Lublin. Wir sollten Kontakt zu ihnen suchen und schauen, inwiefern sie uns helfen können.«
    »Und dann?« wollte Moisze wissen. »Wie sollen wir es zustande bringen? Dieses Depot ist eine richtige kleine Festung und schwer bewacht. Wir könnten nicht einmal in seine Nähe gelangen. Ein bißchen mehr Planung als für die Brücke wird schon nötig sein.«
    »Da hast du völlig recht, mein Freund. Für ein solches Vorhaben werden wir wohl einen raffinierten Plan benötigen …«
     
    {202} »Heute haben also zehn Personen den Impfstoff erhalten«, stellte Dr. Szukalski fest, als er mit Dr. Duszynska durch den düster beleuchteten Flur von der Ambulanz zu seinem Büro ging.
    »Ja. Und ich habe darauf geachtet, ihn nur an Patienten zu verabreichen, die über

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