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Nackige Engel

Nackige Engel

Titel: Nackige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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mir aus dem offenen Wandschrank ein frisches Handtuch, praktisch veranlagt, wie ich bin, ein schwarzes, und tupfte mich vorsichtig ab. Dann ging ich wieder hinüber ins Wohnzimmer.
    Das ganze Unglück war schnell zu überblicken: Die vermeintliche Schäfchenwiese sah aus wie eine Metzgerschürze bei Feierabend, weiter hinten vor seinem Stuhl lag Wolfertshofer auf den Boden niedergestreckt. Der drastische Augenschein genügte, um zweifelsfrei festzustellen, dass er tot war. Sein Gesicht wies Schwellungen auf und war blutverschmiert. Auf mich wirkte das, als hätte man ihn erst gefoltert und anschließend umgebracht. Seine Gliedmaßen waren seltsam verrenkt. Erst nach einer Weile drängte sich mir eine fürchterliche Vermutung auf, gegen die ich mich zur Wehr setzte. Schließlich gewann sie doch die Oberhand: Wolfertshofer lag zu einem Hakenkreuz drapiert.
    Der Brechreiz, der sich meiner bemächtigte, war so stark, dass ich nach nebenan rennen musste und gerade noch rechtzeitig die Schüssel erreichte. Als ich anschließend ein weiteres Mal meinen Kopf unters Wasser hielt, war ich schon fieberhaft mit der Frage beschäftigt, was um Himmels willen denn nun zu tun war. Ich ging noch einmal hinüber; bereits da prägte sich mir die Szene wie eine Fotografie ein, so klar und so endgültig festgehalten, dass ich sie auch später noch jederzeit aus meinem Gedächtnis holen könnte. Dabei bemerkte ich ein Detail, das mir vorher entgangen war. Neben Wolfertshofer lag mein blutverschmierter Totschläger. Hatte da jemand versucht, Spuren zu legen, die mich zum Täter stempeln sollten? Womöglich gab es noch weitere solcher gestellter Hinweise.
    Dies zu überprüfen, war keine Gelegenheit mehr. Schmerz und Schock, dazu die Furcht, in die Enge getrieben worden zu sein, hatten meinen Überlebenswillen angestachelt und dabei ein Wahrnehmungsvermögen aufs Äußerste geschärft, das einen Gefahren wittern lässt. Mein Misstrauen rührte von etwas her, das sich unten auf der Straße abspielte. Vorsichtig lugte ich hinunter. Ein großer Wagen parkte dort geräuschlos ein. Zwei Männer stiegen aus, die zunächst einmal das Haus in Augenschein nahmen. Ihr Blick wanderte bis ins Dachgeschoss zu mir hoch. Dann überquerten sie die Straße, dabei hatten ihr Gang und ihre Bewegungen etwas Tastendes, etwas Investigatives, wie es mir sofort durch den Kopf schoss. Die beiden waren Polizisten, die man losgeschickt hatte, um die Situation in Wolfertshofers Wohnung zu überprüfen. Vielleicht wussten sie schon alles. Aber wer hatte sie alarmiert?
    Ich hatte das beschissene Gefühl, dass jemand mit aller Macht versuchte, mich ins Unglück zu reiten. Man würde mich am Tatort finden, blutverschmiert, nach einem gewalttätigen Streit. Normalerweise hatte da ein Ermittler keine weiteren Fragen. So wie ich da stand, war ich auf frischer Tat ertappt.
    Ich hatte nicht einmal eine gute Geschichte, nur eine verdammt wirre, in der Hitler, Neonazis und auch sonst viel Kabarett vorkamen. Ich nahm den Totschläger an mich, wickelte ihn in das Handtuch, sah mich kurz um, ob noch etwas von mir in der Wohnung lag, und schlüpfte schließlich in meine Jacke. Als ich die Wohnungstür leise öffnete, bemerkte ich neben der Gegensprechanlage einen Schlüsselbund. Ihn an mich zu nehmen und einzustecken, war ein spontaner Reflex, aus dem erst hinterher ein Plan wurde.
    Ich lauschte angestrengt, ob sich im Treppenhaus etwas tat. Nichts war zu hören. Um in die Wohnung zu gelangen, stand den Beamten der Lift oder die Treppen zur Verfügung. Natürlich konnten sie sich auch aufteilen, aber ich hoffte, dass sie dazu keinen Anlass sahen. Ich holte den Lift hoch und platzierte mich vor der offenen Tür, um das Weitere abzuwarten. Jetzt drangen von unten Geräusche herauf, die beiden Schwingtüren nach dem ersten kurzen Aufgang, die das Treppenhaus gegen Zugluft schützten, pendelten hin und her. Schnell wurde klar, dass die beiden die Treppe hochsteigen würden. Bedächtig und ruhig erklommen sie die Stiegen. Ich hoffte, dass sich der Aufzug leise genug schließen würde. Die Glasröhre verlief außen und die Hausmauern waren dick genug, um alle weiteren Geräusche abzudämmen. Als ich unten ausstieg, hörte ich, dass die beiden immer noch in gleichmäßigem Tritt nach oben stiegen.
    Schließlich wurde es still. Sie hatten sich offenbar oben vor der Tür aufgebaut, vielleicht auch geklingelt. Schwach drang das Klappern von Schlüsseln herunter. Sie nestelten eine Weile lang

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