Nackt in der Zwangsjacke
.«
Sie trug eine weiße Seidenbluse
ohne das Geringste darunter, und einen langen schwarzen Rock. Das feine Haar
war sorgsam gebürstet und ein dezentes Make-up aufgelegt worden, so daß sie
aussah wie für eine elegante Dinnerparty gerüstet — nur acht Stunden zu früh.
»Ich habe einen ganzen Shaker Bloody Marys gemacht«, fuhr sie fort. »Es ist so
anstrengend, wenn man sie einzeln mixt, nicht wahr ?«
»Gewiß«, sagte ich wie betäubt.
Sie reichte mir den
Tomatencocktail, immer noch das warme Lächeln auf den Lippen. Vielleicht hatte
Amanda Waring ja ein Double, sagte ich mir nervös, eine Zwillingsschwester, die
man sorgsam versteckt gehalten hatte, um sie erst im entscheidenden Augenblick
zu präsentieren.
»Warum nehmen Sie nicht Platz,
Mr. Holman ?« fragte sie.
Also setzte ich mich auf die
Couch, und sie ließ sich mir gegenüber in einem Sessel nieder. Das Ganze kam
mir wie der Auftakt zu einer Boulevardkomödie vor.
»Ich muß mich für gestern abend entschuldigen«, sagte sie nach längerem
Schweigen. »Es war dumm von mir, daß ich mich über diese albernen Anrufe so
aufgeregt habe .«
»Jetzt sehen Sie jedenfalls
wieder glänzend aus«, stellte ich fest.
»Es geht mir auch glänzend !« Ihr Lächeln wurde fast noch strahlender. » Gestern abend fürchtete ich schon, wieder den Verstand zu
verlieren, aber heute morgen ist alles anders .«
»Wie kommt das ?«
»Sam hat mich vor zwei Stunden
angerufen .« Ihr Lächeln versengte mich förmlich. »Er
hat jetzt das fehlende Geld für seinen Film aufgetrieben. Ist das nicht
herrlich ?«
»Herrlich«, wiederholte ich.
»Und genau das, was ich
brauche«, fuhr sie fort. »Die ideale Therapie: Arbeit! Ich kann es einfach
nicht abwarten, mit den Dreharbeiten zu beginnen. Es wird noch ein paar Wochen
dauern, aber Sam läßt mir schon heute das Drehbuch zuschicken, und danach wird
alles wieder wie in alten Zeiten .«
»Wie schön für Sie«, sagte ich
und reichte ihr Chucks Foto. »Kennen Sie den ?«
Sie sah kurz auf die Fotografie
nieder, dann reichte sie sie zurück. »Chuck Adams«, sagte sie. »Ich begreife
nicht mehr, was ich in diesem hirnlosen Muskelpaket gesehen habe. Aber
wahrscheinlich war ich eben krank .«
»Er hat Marian Byrnes angerufen
und für heute vormittag elf Uhr seinen Besuch
angekündigt«, berichtete ich. »Doch er ist nicht erschienen. Dafür hat er
jemand anderen geschickt .«
»Oh?« Es klang nicht besonders
interessiert.
»Nämlich Carl«, fuhr ich
entschlossen fort. »Ein mittelgroßer Kerl mit teigiger Haut und schwarzen
Knopfaugen. Erinnern Sie sich an ihn ?«
»Sie haben mich schon gestern abend nach ihm gefragt .« Das Lächeln verblaßte langsam. »Nein, auch heute morgen erinnere ich mich nicht an ihn. Auch nicht an die anderen Namen und Orte, die
Sie erwähnten.«
»Carl hat Marian mitgenommen«,
sagte ich. »Gegen ihren Willen und unter Bedrohung mit einem Messer.«
»Marian?« Sie runzelte die
Stirn. »Was, um alles in der Welt, will er von Marian ?«
»Keine Ahnung.« Ich gab mir
Mühe mit meinem Lächeln. »Genau das ist ja mein großes Problem: Ich habe von
all dem keine Ahnung. Nur Sie wissen die Antworten darauf, aber Sie haben sie
irgendwo in Ihrem Unterbewußtsein vergraben .«
»Verderben Sie mir nur nicht die
Stimmung, Mr. Holman«, sagte sie kühl. »Nicht heute an diesem wundervollen
Tag.«
»Wenn Sie sich nur an irgend
etwas über Carl erinnern könnten«, beharrte ich, »würde mir das schon einen
großen Schritt weiterhelfen .«
Bedächtig schüttelte sie den
Kopf. »Ich erinnere mich einfach an niemanden dieses Namens, Mr. Holman. Es tut
mir leid, und ich würde Ihnen gewiß gern helfen, aber ich kann es nicht .« Sie erhob sich aus ihrem Sessel und trat ans Fenster, den
Rücken mir zugekehrt. »Ich habe Sie engagiert, damit Sie herausfinden, wer mich
terrorisiert, und dem ein Ende machen«, fuhr sie distanziert fort. »Und man
sollte doch denken, daß Sie sich augenblicklich genau damit beschäftigen. Aber
nicht damit, mich dauernd mit Fragen nach Leuten zu belästigen, denen ich nie
auch nur begegnet bin! «
»Sie haben recht .« Ich trank mein Glas aus und stand auf. »Das Foto lasse
ich Ihnen hier, als Gedächtnisstütze .«
»An Chuck Adams erinnere ich
mich ja«, fuhr sie mich an. »Ich habe ihn Marian ausgespannt, und das war
gemein von mir. Aber ich war damals ziemlich verzweifelt, und er war der
einzige greifbare Mann. Das verstehen Sie doch ?«
»Sicher verstehe ich das
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