Nackt schlafen ist bio
Zimperlichkeit hin, Zimperlichkeit her, wie viele Menschen überall auf der Welt haben wohl die Ruhr, weil sie sich mit der Hand abwischen? Selbst in einem hochzivilisierten Land, wo Seife und heißes Wasser verfügbar sind, will ich mich nicht darauf verlassen, dass meine Desinfektionsbemühungen auch nur ansatzweise ausreichen. Vielleicht würde ich mich wohler fühlen, wenn ich in ein Sterilisationsgerät und eimerweise Desinfektionsmittel investieren würde, aber das wäre ja nun ganz und gar nicht umweltfreundlich. Und außerdem, wie viel Schaden fügten ein paar zusätzliche Meter recyceltes Toilettenpapier Mutter Erde wirklich zu?
Letztlich entschloss ich mich zu einem Kompromiss: Ich würde Toilettenpapier weiterhin nach dem großen Geschäft benutzen, aber nicht mehr nach dem Pinkeln. Urin ist ein ziemlich sauberer Stoff, und solange ich genug trinke, besteht er sowieso größtenteils aus Wasser. Trotzdem konnte ich mich mit Colins Wasserschüssel noch immer nicht anfreunden, also ging ich nach oben und kramte in meinen Schränken, ob ich nicht etwas anderes entdeckte, womit sich vielleicht ein gleichmäßiger, leicht zu lenkender Wasserstrahl erzeugen ließ. Irgendwie hatte ich im Hinterkopf, dass bei meinen Eltern im Schuppen vermutlich noch ein paar Wasserpistolen lagen, andererseits zuckte ich bei dem Gedanken zusammen, eine Pistole – ob Spielzeug oder echt – auf eine so empfindliche Körperregion zu richten. Und da sah ich es: eine Wasserflasche, die ich bei der Green Living Show geschenkt bekommen hatte, mit Vakuumverschluss und Spritzmechanismus. Die deprimierende Öko-Messe war also doch für etwas gut gewesen.
Ich konnte die Flasche zusammen mit einem Waschlappen oder einem Taschentuch benutzen, das ich wahrscheinlich immer erst nach ein paar Tagen wechseln musste, sofern ich beim Wischen strategisch vorging.
Zugegeben, diese Änderung konnte ich nur innerhalb meiner vier Wände umsetzen – noch eine Wasserflasche und mehrere Tücher passten beim besten Willen nicht mehr in meine Handtasche, und ich hatte auch keine Lust, mich versehentlich ins falsche Tuch zu schnäuzen –, aber für den Hausgebrauch war es eine gut umsetzbare Lösung. Also ging ich im Badezimmer an den Wasserhahn, füllte die Flasche und verschloss sie sorgfältig, bevor ich sie neben der Toilette auf den Boden stellte und einen meiner älteren, schon verschossenen Waschlappen darüberhängte.
Selbst gemachtes Bidet: null Dollar.
Nicht schlecht, dachte ich, als ich nach unten ging und mir ein großes Glas Wasser einschenkte.
13. SEPTEMBER , 197. TAG
Keine Antibabypille mehr
Bestimmt wird sich meine Mutter sehr über meine Entscheidung freuen, die Pille abzusetzen, immerhin steigt damit die Wahrscheinlichkeit, dass ich schwanger werde. Andererseits war sie es, die mich überhaupt erst dazu gebracht hat, sie zu nehmen, damals, als ich sechzehn war und mit einem drei Jahre älteren Typen ging – aus reinem Protest, wenn man meine Mutter fragt. Darin irrt sie allerdings, es war wirklich kein rebellischer Akt gewesen, denn wie sich herausstellte, war er ein richtiger Musterknabe und dreimal so verschroben wie ich. Aber da jetzt auch Mark ein Verflossener und ich damit wieder offiziell Single war, fand ich, dass es albern wäre, eine Droge zu nehmen, die ich eigentlich nicht brauchte – im Unterschied etwa zu Kaffee, ohne den ich nicht leben kann. Außerdem hatte ich seit nunmehr etwa zwölf Jahren ununterbrochen in meinen Hormonhaushalt eingegriffen, da war es vielleicht mal an der Zeit, meine Gebärmutter und meinen Eileiter an ihre ureigensten Aufgaben zu erinnern.
Zu alledem gesellten sich ökologische Überlegungen: Ich lese immer mehr Studien über Hermaphroditen-Frösche und Transgender-Fische infolge des Östrogengehaltes unserer Gewässer, den Wissenschaftler auf die Tatsache zurückführen, dass nur ein kleiner Teil des Östrogens vom Körper der Frau aufgenommen wird, wenn sie die Pille nimmt; der größere Teil jedoch wird in inaktiver Form mit dem Urin ausgeschieden und gelangt über Toilette und Kanalisation in Abwasserkläranlagen, die Arzneiwirkstoffe nicht in ausreichendem Maß herausfiltern können. So erhöht sich die Östrogenkonzentration im Abwasser, und vermischt mit anderen Chemikalien entsteht ein bedenklicher Umweltschadstoff. Irgendwann gelangt dieses Gemisch in Seen, Teiche oder sonstige Gewässer, wo Bakterien das Östrogen in ein aktives Hormon zurückverwandeln, sodass es auf all die
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