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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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ausgehalten?«
    Rose genoss die Frage. »Das war eine schlimme Zeit. Wissen Sie, Herr Kommissar, als ich vor acht Jahren hier eingeliefert wurde, da war das Lager noch nicht so wie heute. Damals, im Polizeigefängnis, als ich zum ersten Male den Namen Buchenwald hörte, kam mir das komisch vor, Buchenwald … das klang so nach – ich weiß nicht – aber ich dachte mir damals, da kommst du in ein schönes, sauberesLager, dort wirst du umgeschult von netten Leuten aus der Partei – hehe –, und nach ein paar Monaten, dann gehst du nach Hause – hehe …«
    Das Flüstern {erstarb}, und Rose stierte vor sich hin. Die Ankunft vor acht Jahren auf dem Weimarer Bahnhof rückte in seiner Erinnerung nach vorn. Aus dem Sammeltransportwagen aussteigend, {der als letzter dem Zug angehängt war, waren die} Gefangenen von einer Eskorte SS empfangen worden. Einzelheiten tauchten in der Erinnerung auf. Rose sah wieder die Leute auf dem Bahnsteig stehen, die in einiger Entfernung dem Schauspiel zusahen. Feindselig und schweigend. Ebenso feindselig und schweigend benahmen sich die SS-Leute. Sie hatten fremde, grüngraue Uniformen an. Stahlhelm, Karabiner und einen Totenkopf am schwarzen Spiegel. Es waren alles junge Kerle, nicht älter als etwa 18 Jahre, doch wirkten sie unheimlich und gefährlich.
    {Es ging in ein überplantes Lastauto hinein.} Vorn und hinten auf den im Auto aufgestellten Bänken hatten die SS-Leute Platz genommen, den Karabiner zwischen den Knien. Der Führer der Eskorte schwang sich über den hochgezogenen Giebel in den Wagen und sagte mit drohendem Unterton: »Jede Unterhaltung ist verboten. Wer quatscht, kriegt ein paar in die Fresse. Bei Fluchtversuch wird sofort geschossen – abfahren!«
    Es ging den Berg hinauf, und als der Wagen hielt, verwandelte sich die schweigende Eskorte in eine wilde und brüllende Meute. Die Giebelwand des Wagens fiel rasselnd herunter, die SS-Leute sprangen von ihren Sitzen hoch und trieben die Gefangenen mit Geschrei und Kolbenstößen vom Wagen und im Laufschritt in die Baracke hinein, vor welcher das Auto gehalten hatte.
    Rose sah wieder den langen, halbdunklen Korridor mit seinen vielen Türen. SS-Leute liefen hin und her, ihre Stiefel krachten auf dem hohlen Fußboden. In langer Reihe standendie Gefangenen mit dem Gesicht zur Wand, die Hände hinter dem Kopf gefaltet. Hinter ihrem Rücken schrie und schimpfte die Geschäftigkeit, militärisch, roh. Hin und wieder blieb einer der eiligen SS-Leute stehen. »Was ist das für ein Haufen? – Strammstehen, Drecksau!« Unvermittelt gab es dabei einen Tritt ins Gesäß, einen harten Faustschlag auf den Hinterkopf, dass die Stirn gegen die Wand prallte.
    Die Bilder verschwammen, Rose hockte auf dem Schemel mit leerem Gehirn. Allmählich füllte es sich wieder mit den Bildern der Erinnerung, die lebendig und frisch waren wie am ersten Tag. –
    Es war Abend geworden, als die Gefangenen von der politischen Abteilung endlich ins Lager gebracht worden waren. Rose sah sich im Haufen der Gefangenen auf einem aufgeweichten Lehmweg ins Unbekannte hineinmarschieren. Ein Scharführer stapfte hinter ihnen her. Pfahlbauartige Wachtürme wurden sichtbar, sie sahen aus wie primitive Jägerhochsitze. Ein Zaun war da aus ungeschälten Stämmen, darum Stacheldraht, wie Notenlinien gezogen.
    Aus einem Wetterhäuschen trat ein Posten im Stahlhelm, sein Mantel reichte bis zu den Füßen. Eine wacklige Tür, ebenso primitiv zusammengeschlagen wie der Zaun, knarrte unlustig in rostigen Angeln. Eine weite Fläche spannte sich vor ihnen, nirgends ein Mensch in dem schwarzen Dunkel. Einzelne hochragende Bäume waren zu sehen, deren Äste wie aufgereckte Arme in die regennasse Finsternis stießen, und regellos verstreute Lichtmasten. Im rötlichen Schein der Lampen, die einen Kreis auf den Boden warfen, glitzerte der Nebelregen. Speckig glänzte der Schlamm. Schwarze Baumstümpfe hockten umher, ein paar Bretterbuden … Starr und tot war die gespenstische Landschaft.
    »Lauft zu, ihr Vögel!«
    Die Hosenbeine hochgezogen und mit den Ellenbogen rudernd, waren sie durch den knöcheltiefen Schlamm gehüpft.Sie stolperten über verborgene Steinbrocken, glitschten in Löcher ab, verloren die Balance, streckten die Arme schützend nach vorn.
    »Lauft! Verflucht noch mal!«
    »So sah es damals aus, Herr Kommissar. – Was meinen Sie, wie wir die erste Zeit gehaust haben? Waschen gab es nicht, das bisschen Wasser reichte gerade für die Küche. Die Klamotten wurden

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