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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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uns nie trocken. Nass, wie wir sie abends ausgezogen, zogen wir sie frühmorgens wieder an … So aus dem warmen Bett heraus, Herr Kommissar … Wir hatten alle die Scheißerei. Hinter den Baracken waren die stinkenden Latrinen, Gruben, mit einem Querbalken darüber. Nicht mal Papier gab es, um sich den Hintern abzuwischen. Das war uns alles egal. – Ob wir genug zu essen gehabt hatten damals? Haben Sie eine Ahnung, Herr Kommissar! Das muss ich Ihnen genau schildern, sonst begreifen Sie es nicht …«
    Statt zu »schildern«, versank Rose wieder ins Brüten und verkroch sich in die Bilder der Vergangenheit. Um 4 Uhr morgens schrillte die Pfeife des Blockältesten. Die Stubendienste schrien in den Schlafsaal: »Aufstehen!«
    Draußen schwelte noch die Nacht. Im trüben Licht der Bogenlampen gleißte der Schlamm wie ein See, und auf den Wegen zwischen den Baracken floss er als träger Teig den Berg hinab. Sprühnebel geisterte. Eiskalt und steif waren die Klamotten, knochenhart die nassen Schuhe.
    Vorbei Nacht und Schlaf, draußen braute sich ein neuer Tag zusammen. Im Tagesraum schlürfte man eine Tasse lauwarmer Kaffeebrühe, ehe es hinausging in Nässe und Kälte. Oft war der Kaffee die einzige Nahrung für den ganzen Tag. –
    »Jaja, Herr Kommissar«, stöhnte Rose, von der Gewalt der Erinnerung bezwungen. »Den Knust Brot für den Tag kriegten wir am Abend vorher, und den hatten wir gewöhnlich mit der Suppe aufgefressen.«
    Draußen pfiff der Blockälteste. »Antreten zum Appell!« Raus aus der Bude, rin in Schlamm und Schmodder.
    »Rechtsum! Im Gleichschritt marsch!«
    Klitsch, pitsch! Links-zwei, links-zwei …
    Wenn wir oben ankamen, waren wir schon wieder nass bis auf die Haut. Die Scheinwerfer schrien uns {in die Fresse} und bissen sich in die Augen hinein … Dann streuten sich die Rudel der Blockführer unter uns aus, um uns zu zählen. Wie der Schlamm spritzte unter ihren Tritten, aber die hatten ja feste Stiefel an. – Der Appell nimmt kein Ende! Da oben stimmt was nicht. Es fehlt wieder mal einer! Verfluchte Scheiße!
    »Stubendienste in den Wald, Vogel suchen!«, schreit es durch den Lautsprecher. Von allen Blocks stürzen die Stubendienste los, der Lagerälteste vorneweg. –
    Nee, nee, das war nicht Krämer; an den war seinerzeit noch nicht zu denken. Der Lagerälteste von damals war ein Grüner, ein BVer, und der ist längst verreckt, der Hund. Und wir stehen und warten, dass sie den Fehlenden finden. Stehen und stieren blöd vor uns hin. Stehen und schlafen im Stehen. Das ging so eine Stunde oder zwei. Wohin mag sich der Kerl nur verkrochen haben? Ist er in die Latrine gekippt und in der Scheiße versoffen? Na, prost Mahlzeit! Dann kann es lange dauern, bis sie ihn herausfischen mit den langen Stangen …
    Vielleicht hat er Brot geklaut, es mit der Angst gekriegt und sich im Wald aufgeknüpft. Sie meinen, wegen so ’nem Stückchen Brot? Haben Sie ’ne Ahnung. Nun finde ihn mal im Dunkeln bei den vielen Bäumen …
    Zwei Stunden – drei Stunden –
    Der Regen weicht uns auf, wir ziehen die Köpfe tiefer zwischen die Schultern und werden den Marabus immer ähnlicher. Es wird langsam hell. Wir stehen, stieren, schlafen. Der Hunger rumort niederträchtig im Gedärm. {Hustengekrächzund Geröchel. Immer dichter dekoriert sich der Standort eines jeden mit gelb-grünen Aulen, manchmal ist Blut drin. O Mensch, wie bist du schön …}
    Mancher hält das Stehen nicht aus. Er fängt zu schaukeln an, geht in die Knie, wird von den Nebenmännern hochgezogen und hängt dann wie ein Sack zwischen ihnen. Mancher kippt völlig zusammen, also wird er neben den Block hingelegt, seine zusammengerollte Jacke ihm unter den Kopf geschoben, damit er wenigstens nicht im Schlamm zu liegen kommt.
    Die Scheinwerfer sind längst abgedreht.
    Manchmal kommt von oben ein Blockführer heruntergestiefelt, um durch die Reihen zu gehen. »Achtsehn!«, flüstert es von Block zu Block. Die Knochen reißen sich hoch, Strammstehen, Vordermann, Seitenrichtung … Ist der Kerl wieder fort, werden die Scharniere wieder locker.
    Endlich pfeift es irgendwo dahinten. In die Blocks kommt Leben. Sie haben ihn gefunden! Die steifen Knochen bewegen sich. Vorsichtig werden die Füße aus dem Schlamm gezogen. Das schmatzt und schnalzt.
    Einem ist dabei der Schuh steckengeblieben. Auf einem Bein balancierend, patscht er mit der Hand im Schmodder {und im Perlmutter der Bronchien} herum, zerrt den festgesaugten Schuh heraus. Mit der Hand leert er

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