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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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das Fernschreiben Himmlers, das die Räumung des Lagers anordnete.
    Die Evakuierung war dem Ermessen der Lagerführung überlassen. Ein Befehl, der Panik in sich trug. Rette sich, wer kann. Schwahl hatte also freie Hand. Der Einzige, der ihn hindern konnte, so geschickt wie nur möglich zu manövrieren, war der Fanatiker Kluttig, darum musste Schwahl mit ihm ins Reine kommen.
    Obwohl Schwahl mit Kluttig nicht gern allein war, hatteer sich zu dieser Unterredung entschlossen. Er vertraute auf sein diplomatisches Geschick. Kluttig betrat Schwahls Dienstzimmer in steifer Haltung.
    Schwahl empfing ihn mit jovialem Vorwurf: »Aber mein Lieber, was machen Sie da hinter meinem Rücken für Geschichten?«
    Kluttig horchte auf. Der Ton war ihm willkommen. Kampflustig hob er den Adamsapfel aus dem Kragen. »Für das, was ich tue, trage ich die volle Verantwortung!«
    »Bahbahbah …Verantwortung! – Sie bringen mir damit im Lager nur alles durcheinander. Unruhe können wir jetzt nicht gebrauchen.« Kluttig stützte die Fäuste in die Hüften. Eine gefährliche Geste! Schwahl zog sich vorsichtshalber hinter den Schreibtisch zurück. »Warum machen Sie eines jüdischen Wechselbalges wegen so ein Getös?« In Kluttigs Augen lag Gift, und seine Backenknochen arbeiteten. Er ging einen Schritt auf den Schreibtisch zu. »Hören Sie zu, Standartenführer. – Wir sind nie Freunde gewesen und werden es zuletzt auch nicht sein. Der Klimbim hier ist bald zu Ende. Wir sind allein und ohne Zeugen, und ich rate Ihnen: Pfuschen Sie mir nicht in meinen Kram.« Schwahl verzog das Gesicht. Einen Augenblick lang war er versucht, die Herausforderung anzunehmen, doch er besann sich.
    »Gut«, entgegnete er, verließ den schützenden Schreibtisch und ging referierend hin und her.
    »Wir sind allein und ohne Zeugen. Sprechen wir darum offen miteinander. Sie halten mich für einen Feigling, der sich beim Amerikaner anbiedern will. Irrtum, mein Lieber. Ich bin nur kein Fanatiker wie Sie, sondern Realpolitiker … Jawohl, Realpolitiker«, fuhr er zu Kluttig herum, der widersprechen wollte.
    Schwahl nahm das Fernschreiben zur Hand und demonstrierte es wie ein Referent beim Vortrag.
    »Evakuierung! Befehl von Reichsführer SS! – Wollen Sie sich dem Befehl widersetzen?«, fragte er lauernd.
    Die Antwort, die Kluttig darauf zu geben versucht war, wäre offene Meuterei gewesen, darum schwieg er verbissen.
    Schwahl nutzte seinen Vorteil.
    »Die Evakuierung wird dem Ermessen der Lagerführung überlassen. Na bitte! Die Kommandogewalt liegt in meiner Hand, oder etwa nicht? …« Auch hierzu schwieg Kluttig, und Schwahl stieß weiter vor. »Unter vier Augen, Hauptsturmführer, wer kann uns noch helfen? Der Führer? Oder Reichsführer SS?« Schwahl meckerte. »Wir sitzen in der Falle. Die Zeit für große Taten ist vorbei. – Vorbei!«, wiederholte er mit Nachdruck. »Jetzt geht es um die Krawatte.«
    Kluttig wollte aufbrausen, doch Schwahl hatte schon zu sehr das Wort.
    »Treten wir hier ab und lassen einen Leichenhaufen zurück, dann haben wir zwar die Ehre, treu geblieben zu sein bis zum Tode, aber – was kaufen wir uns dafür?«
    »Feigling!«, zischte Kluttig.
    Schwahl lächelte nachsichtig.
    »Ich will mir die Krawatte locker halten. Hätten wir den Krieg gewonnen, dann würde ich im Lager schon aus reinem Vergnügen ein fröhliches Scheibenschießen veranstalten. Leider haben wir – unter vier Augen gesprochen –, leider haben wir den Krieg verloren, und das verändert die Situation.«
    Kluttigs verbissene Wut brach durch: »Ich mache das nicht mit! Hören Sie, Standartenführer? Ich mache das nicht mit! Dieses erbärmliche Davonschleichen, dieses … dieses …«
    Seine Stimme hatte den schneidenden Trompetenton, doch diesmal verfehlte er seine Wirkung auf Schwahl, der ruckte sich in den Schultern zurecht, schob den Bauch vor und verschränkte die Arme über der Brust.
    »Aha! Sie wollen mit dem bekannten Knall die Tür hintersich zuschlagen. Mein Lieber, das lässt sich vom Mikrophon aus mit viel Bravour verkünden. Wir sitzen hier aber nicht im Propagandaministerium, sondern auf dem Ettersberg und haben die Front vor der Nase. Wenn wir knallen, dann knallt es zurück.«
    Kluttig kreischte auf: »Dann knallen wir eben!«
    »Auf wen, wenn ich bitten darf? – Auf den Amerikaner? Machen Sie sich doch nicht lächerlich.«
    Kluttig ging mit steifen Schritten an Schwahl vorbei und warf sich in einen der schweren Ledersessel am Konferenztisch, er bot

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