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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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ein Bild ratloser Wut. Schwahl betrachtete sich den Gegner.
    »Was wollen Sie eigentlich?«, sagte er nach einer Weile. »Ich glaube, Sie wissen es selbst nicht. Sie wollen das Lager zusammenschießen. Dann wollen Sie die geheime Organisation der Kommunisten aufspüren, jetzt jagen Sie einem jüdischen Wechselbalg nach und sperren Leute ein. – Sie haben die Nerven verloren, das ist alles.«
    Kluttig riss es hoch, er schrie Schwahl an: »Ich weiß genau, was ich will!« Mit zitternden Fingern zerrte er die Liste aus der Tasche und streckte sie Schwahl hin. »Da!«
    Schwahl betrachtete sich das Blatt.
    »Was ist das?« –
    »Der führende Kopf der Organisation!«, antwortete Kluttig schneidend.
    Schwahl hob die Augenbrauen.
    »Das ist sehr interessant …« Es konnte Überraschung, aber auch Spott sein. Aufmerksam las er die Namen.
    »Es sind sogar sehr viele Köpfe. – Wie haben Sie diese denn aufgefunden?«
    »Auf meiner ›Jagd nach dem Wechselbalg!‹«, erwiderte Kluttig voll Zynismus. Schwahl geriet nicht aus dem Gleichgewicht.
    »Und was wollen Sie mit den vielen Köpfen machen?« –
    »Abschlagen, Standartenführer!«
    »Soso …«, bemerkte Schwahl nur, legte die Hände auf den Rücken und ging nachdenklich hin und her. Kluttig wartete, jetzt kam die Entscheidung! – Die Pause war lang. Schwahl überlegte viel. Endlich schien er alles beisammenzuhaben. Er blieb vor Kluttig stehen. Sie sahen sich an.
    »Hören Sie zu, Hauptsturmführer. Ich bin mit dem, was Sie hier unternehmen, nicht einverstanden. – Nein, unterbrechen Sie mich nicht, Sie sollen mir zuhören. Es ist nun einmal geschehen, und Ihre Aktion ist viel zu massiv, als dass ich sie rückgängig machen könnte, ohne dem Lager unsere Schwäche zu zeigen …«
    »Schwäche?«, begehrte Kluttig lärmend auf.
    »Ja«, entgegnete Schwahl knapp und wusste im gleichen Augenblick, dass er der Klügere war. Er überließ Kluttig wieder sich selbst und machte seinen Rundgang um den Schreibtisch, den er so liebte, wenn er Wichtiges zu sagen hatte.
    »Sprechen wir über etwas anderes. Der Befehl Reichsführer SS liegt vor, er wird durchgeführt. Das Lager wird evakuiert! Wir sind unter vier Augen, Kluttig, ich will ganz offen mit Ihnen sprechen. Was werden wird, wissen wir nicht. Vielleicht muss ich eines Tages dem Reichsführer SS Rechenschaft geben, darum führe ich seinen Befehl durch. Vielleicht muss ich mich eines Tages vor dem Amerikaner verantworten! {Ich! Sie! Wir alle!}«
    Er blieb hinter dem Schreibtisch stehen.
    »Ich fürchte mich nicht!«, schnitt Kluttig in Schwahls Rede hinein und schob das Kinn vor.
    »Weiß ich«, entgegnete Schwahl, und in seinem Gesicht lag wieder der Zug, welcher offenließ, ob es Anerkennung oder Spott war. Schwahl kam hinter dem Schreibtisch vor, pflanzte sich vor Kluttig auf und stützte die Hände in die Seiten.
    »Ich stehe Ihnen im Wege. Wenn es nach Ihnen ginge,dann wäre ich die längste Zeit Kommandant gewesen. Aber so einfach ist es nicht, mich …«
    Er machte die Bewegung des Halsumdrehens, legte einige dramatische Schritte ein, um darauf unvermittelt zu Kluttig herumzufahren: »Es ist auch nicht so einfach, Sie …«, wieder die Geste.
    Schwahl sprach mit einer Offenheit, gegen die Kluttig keine Waffen hatte.
    Schwahl nutzte dies. »Darum meine ich, Klugheit und Mut sollten nicht gegeneinander, sondern miteinander … Verstehen Sie …?«
    »Soll es heißen, dass Sie mir gnädig erlauben …«
    Schwahl hieb jäh in die Bresche, die er sich geschlagen. Mit scharfem Schritt trat er an Kluttig heran, tippte ihm mit leichtem Finger gegen die Brust. »Mehr noch! – Ich erteile Ihnen
den Befehl
, die Organisation unschädlich zu machen!«
    Kluttig verschlug es die Sprache. Er starrte den Kommandanten an, und aus seinen dicken Brillengläsern stach ein misstrauisches Licht. Schwahl, der es bemerkte, schien Kluttigs Gedanken zu erraten.
    »Nein, nein, mein Lieber«, sagte er, »es steckt nichts dahinter. Sie dürfen sich auch nicht einbilden, dass ich vor Ihnen kapituliere. Mein Befehl entspringt nur der Einsicht in die augenblickliche Lage. Ich will Ihnen keine Schwierigkeiten machen und erwarte keine durch Sie. So kommt jeder zu dem Seinen. Klar?!«
    Schwahl las die Liste nochmals durch. Lange und aufmerksam, schließlich fragte er: »Sind Sie fest davon überzeugt, dass Sie mit diesen hier den führenden Kopf der …«
    »Ich bin fest davon überzeugt«, entgegnete Kluttig, seine eigene Unsicherheit

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