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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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daran herumgemurkst, was?« Mit einem Kinderstaunen im Gesicht entgegnete Schüpp: »Ich habe gar nicht dran rumgemurkst. Aber der Draht ist jetzt so spröd, und die Zuleitungen brechen immer wieder durch, es ist eben Kriegsmaterial.« – »Quatschen Sie mich nicht voll, quatschen Sie Ihren Zimt ins Mikrophon, und hauen Sie gefälligst bald wieder ab.« Das war für Schüpp die Genehmigung, die Lautsprecheranlage bedienen zu dürfen.
    {»Jawoll, Rapportführer.« Seinem treuen Gesicht war es keineswegs anzusehen, dass er sich bei der Kehrtwendung, die er machte, ungefähr Folgendes dachte: Wenn du Dussel wüsstest, wie ich dich jetzt überfahre …}
    Er ging zur Anlage und schaltete ein. Der Strom summte. Schüpp blies probeweise ins Mikrophon und räusperte sich. »Achtung, Leitungsprobe. Achtung, Leitungsprobe. – Ich zähle … drei, drei, vier, vier, fünf, fünf … acht. – Ich wiederhole: drei, drei, vier, vier, fünf, fünf … acht.«
    Die Durchsage wurde in allen Blocks und Werkstätten gehört, und in der Optikerbaracke sahen Kodiczek und Pribula einen Augenblick von der Arbeit hoch. Auch Henry Riomand, der französische Koch im Kasino, horchte gespannt auf die Ansage. Drei, vier, fünf, das waren Schlüsselzahlen und die Decknummern für die einzelnen Genossen des ILK. Die Durchsage gab ihnen bekannt, dass sie sich heute Abend um acht Uhr am bekannten Ort einzufinden hatten. Riomand rührte am Herd im Topf. Pribula und Kodiczek sahen sich bedeutungsvoll an, da musste etwas Besonderes los sein. –
    »Leitungsprobe beendet. Leitungsprobe beendet.« Schüpp schaltete ab. Reineboth, der nur mit halbem Ohr zugehörthatte, meinte mokant: »Bis drei scheinen Sie Gott sei Dank noch zählen zu können.« – »Jawohl, Herr Rapportführer, bis dahin reicht’s bei mir noch.« Und seine runden Augen strahlten den eleganten Jüngling an, der ihm gelangweilt zuwinkte, sich zu entfernen. Zufrieden ging Schüpp in seine Werkstatt.
     
    Die Zusammenkunft des ILK ging unauffällig vor sich. Kurz vor der festgesetzten Zeit begab sich Bochow nach dem vereinbarten Treffpunkt. Es war kalt und dunkel. Nur wenige Häftlinge waren zwischen den Blocks zu sehen. In den Eingängen der gegen Fliegersicht abgedunkelten Blocks standen einige und rauchten, die glimmenden Zigaretten bedeckten sie mit der Hand. Nur der langgestreckte Weg, der vom Appellplatz zum Häftlingsrevier hinunterführte, war belebt. Hier gingen die Häftlinge zur Ambulanz, oder sie kamen von dort, eilig ihren Blocks zustrebend. Auf dem dunklen Reviergelände betrat Bochow eine Baracke, die als Lagerraum für Strohsäcke und Krankenutensilien diente. Im Lagerraum waren zwei Häftlingspfleger beim trüben Schein einer schwachen Glühbirne scheinbar damit beschäftigt, Strohsäcke zu stopfen. Sie unterbrachen ihre Tätigkeit, als Bochow eintrat, und schoben den großen Strohhaufen beiseite. Dem Auge nicht sichtbar, war auf dem rohgedielten Fußboden ein Brettergeviert gelockert, das Bochow anhob, um sich durch die schmale Öffnung nach unten zu zwängen. Oben ordneten die beiden das Stroh über dem Einstieg. Der Raum unter der Baracke war die etwa 1,20 m tiefe Fundamentgrube. An deren Längsseiten standen aus Ziegeln gemauerte kurze Säulen, auf denen die Baracke ruhte, und in Querrichtung ragten Reihen von Stützbalken, die den Fußboden hielten. Es sah aus wie in einem Bergwerksstollen. Die nackte Erde der Grube war von Kalksteinbrocken übersät, über die Bochow stolpernd nach hinten ging.
    Die Genossen des ILK, die hier um eine Kerze hockten, unterbrachen ihr Gespräch und blickten Bochow entgegen. Der kauerte sich zu ihnen und hörte dem Streit zu, der gegen Joseph Pribula entbrannt war. Die Neuigkeit von der Räumung der Stadt Mainz zeigte offenbar, dass die Amerikaner ihren Brückenkopf bei Remagen ausbauten und weiter nach vorn stießen. Eine gute Nachricht! Pribula frohlockte und schlug die Faust in die hohle Hand: »Werden wir losschlagen bald!« Aber Pribulas Zuversicht forderte den Widerspruch der anderen heraus. Kodiczek knurrte verdrießlich, und van Dalen klopfte Pribula auf die Schulter. »Du bist sehr tüchtig«, sagte er in seinem gedehnten Deutsch, »aber auch sehr ungeduldig.« {Das gutmütige Boxergesicht des Holländers legte sich in breite Falten, und die starken buschigen Brauen standen über den wasserhellen Augen wie zwei dunkle Kirchenbögen.} Pribula, der Jüngste unter ihnen, war tatsächlich der Ungeduldigste von allen. Immer ging

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