Nackte Angst
ihn treibende AufgabeŚeine Intelligenz, sein sicherer Instinkt und sein Mut hatten den noch verhältnismäßig jungen Mann in kurzer Zeit zum Schrecken der Gangster werden lassen.
Überall wo sein Name genannt wurde, verbreitete er Furcht und Angst unter den Verbrechern — schuf Vertrauen und Zuversicht bei den recht schaffenden Menschen.
Seine bisherigen Erfolge bei der Verbrechensbekämpfung hatten ihn zum besten Mann des Yards gemacht. — Und dieses will bei einer Truppe von ausgesuchten Fachleuten auf. dem Gebiet der Kriminalistik viel heißen. —
Der richtige Mann am richtigen Platz, das war der Leiter der Sonderkommission bei Scotland- Yard: Kommissar G. E. Morry!
Sein bekanntes, freundliches Lächeln war aus seinem Gesicht gewichen und hatte einem nachdenklich grübelnden Zug Platz gemacht.
Wer den jungen Kommissar naher-kannte, und dies es ernste Gesicht, das so kantig und entschlossen jetzt aussah, wußte, daß sein Gehirn momentan auf höchsten Touren lief.
Kommissar Morrys Überlegungen waren durch die ruchlosen Morde des
Unmenschen, der sich „THE SHARK" nannte, veranlaßt. Er ertrug während seiner nachdenklichen Arbeitsweise keine lautstarken Störungen von außen.
Dieses wußte keiner besser, als sein langjähriger Mitarbeiter und Faktotum: Wachtmeister Bruce Wheeler.
Als er fast lautlos die Office seines geschätzten Kommissars betrat, der beim Aktenstudieren war, hob dieser leicht den Kopf und sah seinen Wachtmeister fragend an.
„Nun Wheeler", begann er das Gespräch mit seinem Untergebenen und guten Mädchen für alles. „Hat unser Erkennungsdienst den Toten inzwischen identifizieren können?"
„Well, Sir! — Sie hatten mit Ihren Vermutungen recht. Der Mann gehörte zum Dickson Gang in Poplar und nannte sich während der letzten Monate vor seinem gewaltsamen Ableben, Roger Grimm."
„Roger Grimm?" wiederholte Kommissar Morry den Namen des toten Mannes und zog nachdenklich seine hohe Stirn in Falten.
„Diesen Namen höre ich heute das erste Mal. — Aber sagen Sie, Wheeler, wie hatte man diesen Roger Grimm seinerzeit, als er noch kein Wässerchen trübte, getauft?"
Lächelnd trat der Gefragte an den Tisch seines Vorgesetzten heran, und während er aus seinen
Akten eine Karte herausgesucht hatte, übergab er diese dem Kommissar mit der Bemerkung:
„Es ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen, ob der eingetragene Name und die anderen Daten auf dieser Karte des Toten die wirklichen Personalien sind. Registriert war er bisher in unserem Archiv als Philippo Brazzi, also ein gebürtiger Italiener."
Kommissar Morrys Stirn glättete sich.
Er sagte sichtlich interessiert und befriedigt:
„Sieh da, unseren Zitronen Philippo hat es erwischt." Er erinnerte sich an einen Mann, dem er vor mehr als sechs Jahren das Handwerk als Rauschgiftschmuggler gelegt hatte. —
Seinerzeit hatte Philippo Brazzi mit Rauschgift gehandelt. Gewiß nur in kleinen Mengen, aber viel Wenig gibt auch ein Viel!
Das Gift war in kleine Kapseln getan, die man geschickt in die aus Italien eingeführten Zitronen hineingedrückt hatte. — Eine sehr einfache, aber sehr erfolgreiche Methode!
Jahrelang hatte dieser Trick funktioniert — erst als das Geschäft durch Kommissar Morrys Eingreifen zerstört wurde, hatte Philippo Brazzi seine
Freiheit verloren, er bekam den in die Geschichte des Yards eingegangenen Spitznamen „Zitronen Philippo".
Es war eine von Kommissar Morrys besonderen Fähigkeiten, daß er keine Begebenheit seines ereignisreichen Lebens als Leiter des Sonderdezernates beim Yard vergaß. —
Wenn er auch nicht auf Anhieb jeden seiner Fälle lückenlos vor seinem geistigen Auge abrollen lassen konnte, es bedurfte nur einiger Stichworte . — und sofort war er wieder im Bilde!
So war es bei der Erwähnung des Namens:
Philippo Brazzi.
Sein Wachtmeister dagegen schien sich nicht mehr an diesen Fall erinnern zu können.
— Kommissar Morry sagte daher:
„Erinnern Sie sich nicht mehr, Wheeler? —Zitronen Philippo; der Mann, der sich aus seinem Geburtsland kistenweise Zitronen schicken ließ, ohne einen öffentlichen Laden zum Weiterverkauf für diese Ware zu haben."
Jetzt war auch bei Bruce Wheeler der Groschen gefallen...
„All devils!" gab er seinem Erstaunen Ausdruck. „Jetzt dämmert's bei mir. —
Philippo Brazzi __ oder Zitronen Philippo — war doch der Mann, der eigentlich nach dem Absitzen seiner fünfjährigen Zuchthausstrafe in sein Heimatland abgeschoben werden sollte. Stimmt's
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