Nackte Angst
Bartholomews, — so möchte ich sagen 1661—1662!"
spielte John Tregony sein jüngst eingepauktes Wissen wie ein Mensch aus, der sich seit jeher schon mit der Kunst zu befassen schien.
„Thanks, Mister Lanchester!" erwiderte die Frau und nickte anerkennend.
War es nun der vor ihr stehende Mann, etwa seine genauen Kenntnisse in den Dingen der Kunst, oder war es das besagte Fluidum dieser Kunstwelt, das sie so magisch in den Bann des Mannes zog?
Lady Bartholomews wußte es später nicht mehr genau zu sagen. Jedenfalls entspann sich aus diesen Worten eine äußerst angeregte Unterhaltung
zwischen dem in der Maske eines biederen Kunstverständigen auftretenden Gauners und der nichtsahnenden Frau.
Sie blieben noch vor weiteren Bildern dieser Halle stehen. John Tregony wußte geschickt Fachausdrücke wie ,Pinselführung' und Schattierungen in seine Erklärungen einzuflechten . . .
Die Zeit verging wie im Fluge . . .
John Tregony hatte es schon seit langem verstanden, die Führung eines Gespräches an sich zu ziehen, er hatte aber aus der zwar stummen Lady Bartholomews auch eine dankbare Zuhörerin gemacht. Alles schien für den Gauner wie am Schnürchen zu laufen — und so hielt er es für angebracht, zum vernichtenden Schlag auszuholen:
„Madame!" sagte er honigsüß und besaß dabei schon die Frechheit, die Frau unverschämt anzulächeln.
„Wir sprachen soeben von dem Unterschied zwischen den Meistern dieser Bilder hier und der neuzeitlichen Maler. Sie meinten, derartig Unvergängliches würde heute nicht mehr geschaffen. Ich muß Sie um Verzeihung bitten, wenn ich widerspreche. -
Aber ich bin in der glücklichen Lage, meine Ansicht durch eine Sammlung neuzeitlichen Werke zu bekräftigen.“
„Sie machen mich neugierig." Für ihn hörten sich die Worte wie Musik an. — Ein kurzer Blick überzeugte ihn vollends, daß das Spielchen für ihn lief.
„Nun dann!" ging er aufs Ganze. „Die Sammlung von der ich sprach befindet sich .. .
"
Unvermittelt brach er ab. Sein Gesicht verfinsterte sich zusehends und wurde rot vor Wut. Verflucht! — Warum muß dieser Kerl ausgerechnet jetzt hier hereinplatzen !
knirschte er in sich hinein, als ein weißhaariger Mann, anscheinend ein alter Bekannter der Lady, ganz gentlemanlike auf die Frau zuschoß.
„Hallo! — How do you do, verehrte Freundin!" begrüßte er die ebenfalls errötende Lady Bartholomews.
John Tregonys Chance war für heute dahin; er bemerkte es sofort. Daran änderte auch nichts, daß die Lady peinlich berührt zu sein schien und sich dem Weißhaarigen gegenüber reserviert verhielt.
Er sollte recht behalten.
Der ältere Herr hing von nun an wie eine Klette an ihnen. Damit war an eine Fortsetzung ihres unterbrochenen Gesprächs nicht mehr zu denken.
— Mitwisser konnte John Tregony sich auf keinen Fall leisten. —
Als sich der Weißhaarige, der sofort das große Wort führte, dazu noch äußerte: ,Es wäre wirklich mal wieder an der Zeit, seinen alten Kampfgenossen Bartholomews auszusuchen' — und die Frau um einen Platz in ihrem Wagen bat, war es für den Verbrecher Zeit, sich aus dem Staube zu machen.
Unverrichteter Dinge, ohne einen Anhaltspunkt für eine spätere Zusammenkunft mit der Frau zu haben, warf sich John Tregony wütend in sein Gefährt und brauste in die Stadt.
Das Ziel des Gangsters im Cut war wiederum das Hafengebiet.
Zu Lady Bartholomews Glück ist zu sagen, daß sich auch die gerissensten Gauner irren können.
Und damit nicht genug; — es sollte noch dicker kommen für Forrest Bloomedy und seine „Handyman" …
Auch ein anderer Mann befand sich zu dieser Stunde auf der Fahrt zum Hafengebiet.
Er benutzte aber nicht wie John Tregony einen zufälligen Straßenkreuzer dazu, sondern saß quietsch vergnügt in der Untergrund-Bahn, um sein Fahrziel zu erreichen.
Dem Aussehen und der Kleidung nach unterschied sich der Mann in nichts von seinen Mitreisenden. Seine Ausweispapiere aber trugen den Stempel der gefürchteten Polizeitruppe von Scotland - Yard!
Wachtmeister Bruce Wheeler fuhr mit der Underground Railways einem
gefährlichen Abenteuer entgegen, im Auftrage von Kommissar Morry.
Freiwillig hatte er sich für diese Nacht zum Dienst in der Hafengegend gemeldet.
Seiner kollegialen Einstellung nach war es an der Zeit, daß die Kameraden, die seit Tagen pausenlos auf der Suche nach dem Gangster aus der Post-Office waren, endlich einmal zur Ruhe kamen.
Soviel Selbstlosigkeit und Kameradschaft gab es nur bei
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